Sich selbst bespitzeln

Die Londoner Gruppe „Station House Opera“ mit ihrer Deutschlandpremiere „Mare‘s Nest“ auf Kampnagel

Wer Monty Phyton mag, kann sich auch an der neuen Multimedia Show Mare‘s Nest des Londoner Performance Quartetts „Station House Opera“ freuen. Und verwirren lassen. Denn hier geht es um das Klonen des Selbst im Virtuellen, etwa wenn der Herr mit dem schütteren Haar (Julian Maynard Smith) im Film auf der Leinwand in einem kahlen Raum umherirrt und dann leibhaftig auf die kleine Bühne vor der Projektionsfläche springt, um sich selbst zu imitieren.

Und als sei es der Doppelung nicht genug, erscheint er auf der rückwärtigen Fläche der Leinwand noch mal in einem anderen Film. Dieser virtuelle Mann nun scheint sein Alter Ego im Nachbarfilm zu bespitzeln oder vergeblich mit ihm in Kontakt treten zu wollen, während der Leibhaftige durch die neben der Leinwand angebrachte echte Tür stolziert, mal das eine, mal das andere Ich besucht, nachäfft oder ignoriert. Bis die anderen kommen. Zum Beispiel der junge Mann in der gelb karierten Hose (Mem Morrison), der Pappbecher und gefüllte Plastikwasserflaschen zu Boden wirft. Oder die Blonde (Katye Coe) mit der Tendenz, Ohrfeigen zu verteilen, die Dunkelhaarige (Susannah Hart), mal im Seidenkleid, dann im Domina-Look. Sie alle wuseln doppelt und dreifach über die Bühne, durch die Tür und in den beiden Leinwandfilmen. Auch mal in der Zuschauermenge.

Alles kommt hier in Bewegung: die Körper, die Frage nach Identität, ein unheimliches „Big-Brother“-Gefühl. Absurd, und unglaublich komisch, wie die PerformerInnen sich in bester Slapstick-Manier Scheinprügeleien liefern, wie da plötzlich vier nackte Männer mit gefiederten Masken im Film am Tisch im Kampnagel-Foyer ihre Biere stemmen. Raum, Zeit, Sein und Sinn implodieren in diesem Stück, verschmelzen zu einer einzigen Gegenwart, der des britischen Humors. Morbid, wenn der ältere Herr in Hundestellung bereitwillig seinen weit geöffneten Mund hinstreckt, damit die Domina darin ihre Zigarette ausdrücken kann. Grotesk, wenn der gelb Behoste ein Loch in die Bühnenfront sägt und hindurchschlüpft. Genial, wenn er zeitgleich mit seinem Alter Ego im Film die zweite Bühnenfront ansägt und zusammen mit seinem virtuellen Zwilling aus der Luke schlüpft. KATRIN JÄGER