Klagerecht für jedes Mastschwein

Bisher ist Tierschutz nur auf Papier Staatsziel: Gegen Quälerei kann nicht geklagt werden. Ein Gesetz soll dies ändern

BERLIN taz ■ Voll des Eigenlobes waren alle Fraktionen des Deutschen Bundestags im August 2002. Mit einer Zweidrittelmehrheit hatte das Parlament eine Änderung des Grundgesetzes beschlossen und der Tierschutz trat als Staatsziel in Kraft.

Tierquälerei und Massentötungen waren damit jedoch nicht am Ende, denn „die Worte des Gesetzes taugen nur so viel, wie sie durchsetzbar sind“, sagte Eisenhart von Loeper, Vorsitzender des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte, gestern. Bislang haben Tierschutzorganisationen keine juristischen Mittel, um die Rechte von Tieren vor Gericht einzuklagen. Dies könnte sich jetzt aber ändern, denn das Land Schleswig-Holstein legt dem Bundesrat am kommenden Freitag einen Gesetzentwurf vor, der Tierschützern ein so genanntes Verbandsklagerecht ermöglichen soll. Damit könnten sie erstmals vor Gericht treten, wenn Behörden gegen den Schutz von Tieren entscheiden.

„Es muss die Möglichkeit geben, Tierquäler zu belangen oder Rechte der Tiere einzuklagen, wenn sich Behörden darüber hinwegsetzen“, erläuterte Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Während Tiernutzer wie Geflügel- oder Pelztierzüchter gegen alles und jeden klagen könnten, würden Schützer nicht einmal bei schlimmster Tierquälerei einschreiten können.

So etwa bei einer Anlage für Masthähnchen in Neu-Ulm. Den Tieren sollte dort Fresssucht angezüchtet werden, damit sich ihr Gewicht innerhalb nur eines Monats vervierfacht. Eine brutale Qualzucht, die extreme Schmerzen und Verkrüppelungen verursacht. Trotzdem genehmigte das zuständige Landratsamt die Anlage. Tierschützer mussten tatenlos zusehen.

„Wo jetzt noch Massentötungen von Tieren widerspruchslos praktiziert werden, könnte mit Hilfe des Klagerechts demnächst Einspruch eingelegt werden“, erklärte Apel. Dennoch müsse vermieden werden, dass eine Flut von Klagen über die Behörden schwappe. Falls der Entwurf im Bundesrat die Mehrheit findet, sollen nur staatlich anerkannte Vereine davon Gebrauch machen können. HANSJÖRG KISSEL