Es könnte laut werden

Juso-Bundeskongress: Streit um des Kanzlers Agenda 2010 steht an. Längst nicht alle Jusos dagegen

taz ■ Heute knallt‘s. Antje Werner, Tobias Horn und Anne Martus grinsten Freitag Abend bei der Vorstellung, was ihnen heute im Lauf des Tages widerfahren wird. Die drei sind Jungsozialisten. Aus Baden-Württemberg. Aus Heidelberg, Tübingen und Stuttgart sind sie nach Bremen zum Bundeskongress der Jusos gekommen. Großes Thema: die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Die finden die Jusos in ihrer Mehrheit nämlich höchst zweifelhaft. Nur Antje, Tobias, Anne und ihre Freunde nicht. Sie finden, die Agenda gehe noch nicht weit genug. Das gibt Ärger.

Am Samstag kommt Generalsekretär Olaf Scholz in die Messehalle 4 und erklärt die Sache noch einmal, danach heißt es im Programm drohend: „Aussprache“. Wie die aussehen wird, deutete sich gestern bereits an: „Eine Agenda, die unsere Zustimmung finden soll, darf keine Agenda des Sozialabbaus sein“, erklärte Juso-Bundeschef Niels Annen. Annens Vize, der Bremer Lars Jeschke, erklärte: „2010 – das heißt: 20 Forderungen, von denen man zehn vielleicht annehmen kann und null davon als Ergebnis, was Arbeitsplätze und Wirtschaft angeht.“ Da klatschten die rund 300 Delegierten, die gestern nachmittag nach und nach in Jeschkes Eröffnungsrede hineintröpfelten, zum ersten Mal so richtig laut.

Sie werden wohl ebenso laut ihren Unmut äußern, wenn die Baden-Württemberger ans Rednerpult treten. Doch so alleine sind die Ländle-Leute nicht. Erstens ist der Initiativantrag, den sie am Samstag einbringen werden, eine Gemeinschaftsaktion mit Jusos aus Schleswig-Holstein und Hessen Nord. Und zweitens wird auch der mit 65 Delegierten an Stimmen mächtigste Landesverband Nordrhein-Westfalen einen Antrag zur Agenda einbringen. Auch er, wissen die drei aus dem Süden, wende sich gegen das Mitgliederbegehren in der SPD, das Schröders Sozialreform-Pläne zu Fall bringen soll.

Ende vergangenen Jahres hatten die Jusos entschieden, ihren Bundeskongress in Bremen abzuhalten – der bevorstehenden Wahlen wegen. Inzwischen versucht die hiesige SPD, die Bundespolitik aus ihrem Wahlkampf herauszuhalten. Ob bundesweite Aufmerksamkeit für den Kongress den Bremer Genossen nun zupass komme – „darüber kann man durchaus streiten“, sagt Frank Schmitz, stellvertretender Vorsitzender der SPD Bremen-Stadt. Schmitz ist nur froh, „dass Florian Pronold nicht hier ist.“ Der bayerische Juso-Chef und Mitinitiator des Mitgliederbegehrens weilt auf einem Parteitag in der Heimat. „Dass einer, der in seinem ganzen Leben noch nicht einen Euro verdient hat, was von sozialer Gerechtigkeit erzählt, das finde ich schwierig“, sagt Schmitz über Pronold und lässt keinen Zweifel, dass er das noch ganz anders als „schwierig“ findet.

Die Nicht-Bremer juckt das wenig. „Irgendwo ist immer Wahlkampf“, sagt NRW-Juso-Chef Marc Herter, und nach konspirativer Vorbesprechung im hinteren Eck von Halle 4 ruft er seiner Truppe zu: „Auf in den Kampf“.

Dass sie den gut überleben werden, daran haben die Baden-Württemberger keine Zweifel. Am Samstag Abend wird gefeiert. Und je später der Abend, weiß Antje Werner, „desto weniger wichtig wird es, dass man sich politisch nicht mag.“

Susanne Gieffers