„Kumm wedder!“

Obwohl die Insel Poel nahe der mecklenburgischen Hansestadt Wismar nur etwa fünf mal sechs Kilometer groß ist, präsentiert sie sich als vielfältiges Archipel mit Steilküste, Salzwiesen und Seen

von HARTMUT GRÄFENHAHN

Bullig ragt der massive Kirchturm von Kirchdorf über die umgebenden Bäume. Es scheint so, als ob kein noch so starker Ostseesturm dem 47 Meter hohen Backsteinbau etwas anhaben könnte. Der umgebende Burgwall verkündet aber auch von anderen, den militärischen Stürmen des Dreißigjährigen Krieges, denen das liebliche Eiland seinerzeit ausgesetzt war. Das markante Bauwerk ist sogar auf der gegenüberliegenden Seite der Wismarer Bucht gut zu erkennen und ist neben dem Timmendorfer Leuchtturm das Wahrzeichen der Insel Poel.

Poel, die Insel der Vielfalt. Obwohl die Insel nahe der mecklenburgischen Hansestadt Wismar nur etwa fünf mal sechs Kilometer groß ist, präsentiert sie sich als vielfältiges Archipel. Überwiegend landwirtschaftlich geprägt, beeindruckt je nach Jahreszeit der leuchtende Raps oder die im Ostseewind wogenden Getreidefelder. Die Umgebung lädt zu Wanderungen per Rad oder zu Fuß ein. Pfeilschnell flitzen zahlreiche Schwalben über die Felder und die kleinen, in die Landschaft eingestreuten Seen. Für die Wanderer, die einer Abkühlung bedürfen, ist der Sandstrand des nordwestlichen Küstenabschnitts von Interesse. Südlich und nordöstlich von Timmendorf sorgt eine kleine Steilküste für eine optische Abwechslung. Ein Genuss, hier entlang der Sandwände zu wandern – am Strand oder oben im Küstenwald direkt an den Klippen.

Oberhalb der Steilküste führt ein Wanderpfad, den Radler und Spaziergänger gleichermaßen benutzen. Die Variante am steinernen Strand unterhalb der Steilküste bleibt dem Fußgänger vorbehalten, denn der Strand besteht hier nicht aus dem Sand der Steilküste, sondern aus den eiszeitlichen Einlagerungen darin: Steine in jedweder Größe. Durch die westliche Lage lässt sich hier der Sonnenuntergang besonders schön beobachten. Im warmen Abendsonnenlicht wird der Ockerton der Steilküste besonders verstärkt. Idylle pur.

Poel, die Insel der Vögel. Im südlichen und östlichen Teil ist die Küste ganz anders beschaffen. Flache Salzwiesen prägen die Landschaft. Wie viele andere Inseln ist Poel auch ein wichtiges Refugium für Watt- und Wasser- sowie Zugvögel, die hier im Frühjahr und Spätsommer Rast machen. Deshalb gibt es auch einige Reservate, die nicht betreten werden dürfen. Von den nahen Wegen kann man die eindrucksvolle Szenerie allerdings bestens beobachten.

Wie im Kontrast sieht man am südlichen Horizont die Silhouette der Hanse- und Werftenstadt Wismar. Ein unscharfes Bild, das bei der genaueren Entdeckung Wismars differenziert werden muss. Auf der einen Seite liegen die gigantischen modernen Werftanlagen, auf der anderen Seite eine romantische, liebevoll restaurierte Altstadt, die vom Reichtum zur Hansezeit zeugt. Ein Tagesbesuch lohnt sich.

Poel, die Insel der Radwanderer. Ein weites, gut ausgeschildertes Wegenetz überzieht die die leicht hügelige Insel. Auch wenn einige zentrale Straßen wenig radfahrerfreundlich sind, kann der naturverliebte Radler auf vielen autofreien Wegen – von allerdings unterschiedlicher Güte – die Insel erkunden. Eine Reihe von Fahrradverleihen versorgt die aktiven Besucher, die ohne Drahtesel angereist sind, mit dem Notwendigen.

Anziehungspunkte der Insel sind neben den Naturschönheiten die beiden kleinen Häfen Timmendorf und Kirchdorf. Vor allem von Yachten benutzt, liegen auch einige Fischkutter am Kai. Sie liefern vor allem Krabben an. Apropos Krabben. Kulinarisch kommt der Besucher auf der Insel Poel voll auf seine Kosten. Zahlreiche Restaurants und Cafés laden zu einem schmackhaften Mal der Mecklenburger Küche ein. Vor allem in Timmendorf – nicht zu verwechseln mit seinem holsteinischen Pendant bei Lübeck – geht es entsprechend trubelhaft zu.

Trotz der Vielfalt auf der Insel sind einige Abstecher für den Poelbesucher von Interesse. Das Ostseebad Boltenhagen mit einem tollen Strand, die Hansestadt Wismar mit seiner sehenswerten Altstadt und die Landeshauptstadt Schwerin mit seinem berühmten Schloss sind auf jeden Fall einen Besuch wert. Aber nur vorübergehend, denn wie heißt ein Fischkutter im Kirchdorfer Hafen auf der Insel Poel so schön: „Kumm wedder“!