Der mit dem Kanzler schmust

IG-Chemie-Chef Hubertus Schmoldt hat schon wieder Lohnverzicht für Ausbildungsplätze ausgehandelt

Er ist kein Krawalltyp. Von Hubertus Schmoldt, dem Vorsitzenden der Chemiegewerkschaft IG BCE, kommt keiner der Kraftausdrücke, mit denen die Gewerkschaften gerade durch die Medien poltern. Nicht „Rabatz“ und nicht „heißer Mai“. Er hat Schröder nie als „neoliberal und blutleer“ gegeißelt. Er hat nie Trillerpfeifen verteilt, und er hat nie aus „vollen Backen“ gepfiffen. Er ist ein Konsenstyp.

Deutschlands Markenzeichen sei doch, „dass nicht jeder Konflikt zu Protesten oder Streichaktionen führt“. Müssen sie auch gar nicht, wenn der 58-jährige Schmoldt am Verhandlungstisch sitzt. Dann werden aus Konflikten Diskussionen. Dann dürfen Politiker und Arbeitgeber auch mal über die Öffnung von Tarifverträgen nachdenken. Dann ist Hartz nicht das neue Wort für Egoismus. Dann laufen Tarifverhandlungen so reibungslos und still, als ginge es um einen Brötchenkauf, selbst wenn 3,3 Prozent rauskommen wie im letzten Jahr. Wann sind in diesem Jahr noch mal die Verhandlungen der Chemiebranche? Sie wurden vorgestern beendet. Während Sommer und Schröder stritten, bis die Gespräche platzten, hat Schmoldt sich mal wieder geeinigt. 2,6 Prozent ist diesmal das Ergebnis. Nur ein sehr professioneller Funktionär hätte das als Erfolg verkaufen können. Schmoldt hat es nicht versucht. „Nicht ganz zufrieden“ mit der Zahl 2,6 seien die Gewerkschaften gewesen, war überall zu lesen. Aber die Prozentzahl allein macht keinen Tarifvertrag. 1.800 Chemieunternehmen haben sich verpflichtet, Ausbildungsplätze zu schaffen. Das ist Schmoldts eigene kleine Sozialreform. Die Mitglieder seiner Gewerkschaft bekommen nicht so viel, wie sie womöglich bekommen könnten. Stattdessen profitieren Nichtmitglieder, zum Beispiel einige der 100.000 Jugendlichen, die gerade keinen Ausbildungsplatz finden. Schon sein erster Tarifvertrag für die Chemiegewerkschaft 1996 lief so. 2 Prozent, aber 25.000 neue Arbeitsplätze. Einen derartigen Kompromiss auszuhandeln, aber drei Nummern größer, das war die Aufgabe des Bündnisses für Arbeit. Für jemand wie Schmoldt ist das Bündnis für Arbeit geschaffen worden. 1996 war er unter Kohl dabei und 1998 unter Schröder auch wieder. Das Problem ist, dass die Zeit der Bündnisse vorbei ist, Gespräche im Moment prinzipiell nicht mehr geführt werden.

Selbst falls mal wieder verhandelt wird: Den Lieblingsgewerkschafter des Kanzlers, den Managertyp, den Mann, der den Arbeitgebern ans Herz wuchs, schickt man nicht so gern aus zu Verhandlungen. Gewerkschaftern wie dem Ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske und dem designierten IG-Metall-Chef Jürgen Peters gilt seine Neigung zum Konsens als Artigkeit, gelten seine offene Diskussionen als Streikbarrieren – eine linke Kraft, wie sie sie verstehen, ist der IG-Chemie-Chef nicht.

Innerhalb der eigenen Reihen setzt Schmoldt aber ebenfalls nicht auf Rabatz. Sanft erinnerte er die harten Männer in den Gewerkschaften daran, dass es möglich ist, mit Gesprächen Einfluss zu nehmen, und dass es nicht reicht, immer nur Nein zu sagen. Aber auch dem Kanzler hat er bescheiden bedeutet, welche Änderungen an der Agenda 2010 er sich wünscht. Das war wieder ein Versuch, mit beiden ein wenig zu schmusen und sie dabei etwas weiterzuschieben. Erfolg hat er damit bisher allerdings nicht. MAREKE ADEN