Das Angstthema „Islam und unsere Kinder“

Ein Diskussionsforum mit Eltern, Lehrern und Moschee-Vereinen zeigt: Unwissenheit und Scheu vor den Anderen bestimmen die Situation an den Schulen. Alle fordern Verständnis – auch die Vertreter der Islamischen Föderation

„Ich frage mich, ob das wieder nur ein Modethema ist“, sagt eine Frau in der Zigarettenpause. Seit zwei Stunden diskutieren Lehrer, Eltern und Vertreter von Moschee-Vereinen über die Frage: Wie verändert der Islam die Schule? Eingeladen hatten Montagabend die Werkstatt der Kulturen und Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening. Die Frau ist skeptisch: „Das wird jetzt hochgekocht. Dadurch werden erst recht Ängste geschürt.“

Denn Ängste bestehen zweifellos. Bei einer Umfrage unter den rund 200 Teilnehmern des offenen Forums sind 15 Prozent der Meinung, der Islam habe sehr starke Auswirkungen auf den Schulalltag. Besonders die Eltern sind verunsichert. „Wer sind eigentlich die islamischen Vereine, die an unseren Schulen unterrichten? Darf da jeder kommen?“, fragt eine aufgebrachte Mutter.

Claudia Dantschke, Autorin der Studie „Demokratiegefährdende Phänomene in Friedrichshain-Kreuzberg“, warnt vor Verallgemeinerungen. Ein Flyer, mit dem Kopftuch-kritische Lehrer bedroht wurden, sei wahrscheinlich eine Fälschung aus den Händen Rechtsradikaler. Natürlich gebe es Versuche von islamistischer Seite, Einfluss zu nehmen. Etwa, indem schulferne Personen bei Elternabenden eingeschleust werden. Und natürlich kursieren fertige Anträge, mit denen Eltern ihre Kinder vom Sportunterricht abmelden können. Doch dies seien Einzelfälle. Und: „Die islamistischen Organisationen sind nur ein Teil des Problems“, so Dantschke.

Denn schon im Alltag begegnen sich die beteiligten Seiten mit viel Misstrauen. Das Forum in der Werkstatt der Kulturen soll die Teilnehmer in kleineren Runden ins Gespräch bringen. An einem der Tische berichtet Burhan Kesici, dass ihm als Jugendlichem nicht erlaubt wurde, sich zum Gebet vom Unterricht zu entfernen. „Solange wir still sind, werden wir akzeptiert“, so Kesici. „Doch sobald wir beginnen, etwas zu fordern, werden wir kritisiert.“ Die Sozialpädagogin Fatos Topac, Mutter einer 8-jährigen Tochter, widerspricht ihm vehement: Nicht das gesteigerte Selbstbewusstsein der Muslime sei das Problem, sondern dass der Glaube immer stärker zu politischen Zwecken missbraucht werde. Ihre Frage an Kesici, welche Glaubensrichtung des Islam die Islamische Föderation eigentlich unterrichte, wird von den anderen Gesprächsteilnehmern zurückgewiesen. Aus Unwissen: Kesici hat darauf verzichtet, sich der Runde als Vorsitzender der umstrittenen Föderation vorzustellen, die an Berliner Schulen Islamunterricht anbieten darf.

Einigen können sich die Teilnehmer der Runde nur auf gute Vorsätze, die reichlich theoretisch bleiben: Man müsse aufeinander zugehen, zuhören, im Gespräch bleiben. Alle stimmen einer türkischen Mutter zu, die für mehr gegenseitiges Verständnis plädiert: Zu Weihnachten und Ostern gebe es Elternabende und Schulfeste, der Ramadan werde aber ignoriert. „Nur wenn man sich kennen lernt, kann man Vertrauen schaffen.“ Nur so ließen sich muslimische Eltern überzeugen, ihre Tochter auf einer Klassenfahrt mitfahren zu lassen. WIBKE BERGEMANN