GESETZ ZUR ZUWANDERUNG: DIE GEDULD DER REGIERUNG IST ABERWITZIG
: Mutlose Opportunisten

Es gibt Situationen, in denen sich Streithähne einigen müssen: Eine Steuerreform etwa kann nur in Kraft treten, wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen. Man mag es bedauern, aber in solchen Situationen muss sich die Regierung auf Kompromisse einlassen. Bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz jedoch gibt es keinen Zwang zum Konsens, der Zugeständnisse rechtfertigt. Seit Jahren geben SPD und Grüne freiwillig Kompetenzen aus der Hand. Statt endlich Probleme anzupacken, die man ohne Zustimmung der Länder lösen könnte, verhandelt die Regierung immer noch mit der Union über ein allumfassendes „Zuwanderungsgesetz“. Rot-Grün könnte die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung beschließen und die Integration verbessern. Doch man wartet ab, verschiebt und hofft auf Konsens. Dahinter steckt ein Traum – und die Weigerung, einzugestehen, dass dieser Traum schon längst geplatzt ist.

Als der Verhandlungsmarathon vor drei Jahren begann, schien die Union ihre Lebenslüge vom Nichteinwanderungsland Deutschland aufzugeben und an der Gestaltung der Zukunft mitwirken zu wollen. Das wäre schön gewesen, weil ein von allen Parteien akzeptiertes, weltoffenes Reformgesetz viel zum inneren Frieden der Republik beigetragen hätte. Doch es war ein Traum. Dass Rot-Grün trotzdem weiter verhandelt, ist mehr als sinnlos. Es ist schädlich.

Die Union nutzt die aberwitzige Geduld der Regierung nur zu einem Zweck: um ihre alte, von Abwehrhaltung geprägte Agenda durchzubringen. Mit Erfolg. Das Gesetz, das momentan auf dem Tisch liegt, sieht bereits zahlreiche Verschärfungen wie die Einrichtung von „Ausreisezentren“ vor. Doch das genügt der Union nicht. Nun fordert sie, „Sicherheitsaspekte“ einzubeziehen, also Abschiebungen vermeintlicher Terroristen zu erleichtern. Wer sich auf diese Erpressung einlässt, ist kein Träumer, sondern ein mutloser Opportunist. Mutig wäre es, Nein zu sagen und endlich das zu tun, was man ohne die Union tun könnte. Doch auf diesen Mut hofft man wohl vergeblich.

LUKAS WALLRAFF