Europas erster grüner Regierungschef

Lettlands Parlament bestätigt neue Regierung. Minderheitskabinett unter Indulis Emsis steht vor schweren Aufgaben

STOCKHOLM taz ■ Lettland wird künftig von einer Mitte-rechts-Minderheitsregierung unter Führung von Indulis Emsis regiert. Mit 56 zu 33 Stimmen bestätigte Lettlands Parlament sieben Wochen vor dem EU- und Nato-Beitritt des Landes seine Kabinettsliste und machte den Grünen-Politiker zum neuen Ministerpräsidenten – eine europäische, wenn nicht gar weltweite Premiere. Seine Koalition aus den bürgerlichen „Grünen/Bauernverband“ und zwei Mitte-rechts-Parteien musste auf Unterstützung aus dem linken Oppositionslager hoffen, um bestätigt zu werden.

Die Parteien des rechten Flügels, welche die gescheiterte Regierung des bisherigen Ministerpräsidenten Einars Repse getragen hatten – die „Neue Zeit“ und die nationalistische „Für Vaterland und Freiheit“ –, weigerten sich nämlich, Emsis über die Hürde zu helfen. Und Emsis’ eigenes Bündnis, die „Grünen/Bauernverband“, sowie seine Koalitionspartner „Erste Partei“ und „Volkspartei“ verfügten mit 46 von 100 Mandaten über keine parlamentarische Mehrheit.

Die Hilfe kam von links. Die Parteien, welche die Interessen der russischsprachigen Minderheit in Lettland vertreten, wollten auf jeden Fall verhindern, dass die Hardliner von „Vaterland und Freiheit“ wieder in Regierungspositionen kommen. Wäre Emsis gescheitert, hätte Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga kaum eine andere Wahl gehabt, als erneut Repses „Neue Zeit“ oder die Vaterländischen mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die einzig denkbare Alternative – Neuwahlen – will die Präsidentin nämlich wenige Wochen vor dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union unbedingt vermeiden. Im Herbst geht die Legislaturperiode ohnehin zu Ende. Bis dahin, so ihr Kalkül, könnte auch eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten überleben.

Doch einfach wird vermutlich nicht einmal dieses halbe Jahr für Emsis werden. Seine Partei hatte bei den Wahlen gerade 9,4 Prozent der Stimmen geholt. Nach der letzten Meinungsumfrage hat sich dieses Stimmenpolster mittlerweile mehr als halbiert. Auch in seinem eigenen Parteienbündnis „Grüne/Bauernverband“ ist der 52-jährige Grüne nicht unumstritten. Noch am Wochenende hatten ihm Vertreter der Bauernfraktion mit der Bemerkung, man habe eigentlich ganz viele Ministerpräsidentenkandidaten in den eigenen Reihen, aber die Präsidentin habe nun mal Emsis beauftragt, Knüppel zwischen die Beine geworfen. Mit 3 Ministerposten – die übrigen 11 teilen sich die Koalitionspartner – spielt die Partei des Regierungschefs auch nur die Rolle des kleinsten Koalitionärs. In seiner Regierungserklärung nannte Emsis die ökonomische Entwicklung des Landes und die Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung als die wichtigste Aufgabe der Regierung. Die EU habe ihre Türen für Lettland geöffnet, aber es sei noch viel zu tun, diesem Vertrauen gerecht zu werden. Emsis kündigte an, er wolle sich stärker als sein Vorgänger für mehr Toleranz zwischen den gesellschaftlichen Kräften Lettlands einsetzen. Die Spannungen zwischen den ethnischen Bevölkerungsgruppen müssten ein Ende haben. Damit deutete er an, dass seine Regierung den Kurs gegenüber der russischen Minderheit korrigieren will. REINHARD WOLFF