Bürger rücken Ratten auf den Pelz

Der Kölner Stadtteil Mülheim verdreckt immer mehr, stellt die „Mülheimer Müllgruppe“ fest. Sie will für mehr Sauberkeit im Rechtsrheinischen sorgen und fordert alle Mülheimer zum Mitmachen auf

VON INGE BRUNNER

Eine tote Ratte brachte das Fass zum Überlaufen. Als Monika Lungmus das verendete Tier auf der Straße kleben sah, wurde ihr klar: Sie muss etwas gegen den Dreck tun. Lungmus ist eines der Gründungsmitglieder der „Mülheimer Müllgruppe“, die seit einem halben Jahr existiert. Am Dienstag Abend hatte die Gruppe zu einer Podiumsdiskussion ins Bezirksrathaus eingeladen. Die Liste der Missstände, die die Bürgerinnen und Bürger dort vorbrachten, war lang und umfasste wilde Müllkippen, herrenlose Einkaufswagen, Taubendreck und abgemeldete PKWs am Straßenrand.

Michael Vater von den Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB) hat immerhin eine gute Nachricht: Für jeden Mülheimer Müll gibt es einen allein verantwortlichen Ansprechpartner. Wer eine wilde Müllkippe sieht, solle sich etwa an Jörg Mombaur wenden. Dessen Nummer stehe im Abfallkalender, den jeder Kölner Haushalt Anfang des Jahres erhalten habe. Dann sei das Problem in 48 Stunden gelöst: Das Stadt-Service-Team rückt dem Dreck zu Leibe. Es sei denn, der Abfall fällt in die Zuständigkeit des Grünflächenamtes. Oder der beanstandete Straßenzug gehört einem Privatbesitzer. Wenn allerdings das Land zuständig ist, könnte es schon etwas länger dauern.

Am Bahnhof Mülheim und am Bahndamm Carlswerkstraße sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Zuständig ist die Deutsche Bahn, die keinen Handlungsbedarf sieht. Obwohl die AWB eigentlich nicht zuständig sind, bargen sie dort allein in den letzten Tagen 12 Kubikmeter Sperrmüll. Die AWB sind ein profitorientiertes Unternehmen und reinigen nur dort, wo sie auch Gebühren kassieren. Das regt die Bürger auf. Denn wenn die Müllmänner den Hausmüll abholen und auf überquellende Tonnen stoßen, lassen sie die „Übermenge“ liegen. „Offenbar ist dann der Behälter für die Abfallmenge zu klein. Das Haus muss einen größeren Container beantragen. Der kostet dann natürlich auch mehr“, gibt Michael Vater zu. Das wiederum sehen die Bürger nicht ein – sie zahlen auch so schon genug Gebühren.

Der Kampf gegen den Abfall wird in Köln seit zwei Jahren verstärkt. Täglich arbeiten zehn AWB-Kehrer in Mülheim die Straßen ab. Frankfurter Straße und Wiener Platz werden 12 Mal in der Woche gereinigt, andere nur einmal. Die Straßenkehrer bekommen einen festen Bezirk zugewiesen – das soll ihre Identifikation mit dem Veedel und damit ihre Gründlichkeit erhöhen.

Neue, drei Mal so große Papierkörbe ersetzen langsam die alten Modelle. Im Vorjahr führte das Ordnungsamt die „Rote Karte“ mit neuen Bußgeldern für Abfallsünder ein. All diese Maßnahmen haben offenbar keinen Erfolg. Die Mülheimer Müllgruppe will jetzt bei den Ursachen ansetzen. „Wir machen uns stark für Umwelterziehung in Kindergärten, wir knüpfen Kontakte zu alteingesessenen Vereinen. Das Seniorennetzwerk will mit uns zusammen Spielplatzpatenschaften einrichten. Außerdem planen wir Informationsabende bei türkischen Vereinen – die wissen vielleicht gar nicht, wie sie mit dem Abfallproblem umgehen sollen“, mutmaßt Rolf Bauerfeind von der Müllgruppe. Die will Basisarbeit leisten, für mehr soziale Kontrolle im Veedel sorgen. Alle Mülheimer sind zum Mitmachen eingeladen.

Vielleicht ist das doch besser als die Vorschläge, die einige erzürnte Bürger machten. Etwa Maßnahmen wie in Singapur: ein Jahr Gefängnis für jeden, der seine Kippe wegschnippt – „das wirkt!“ Oder Videokameras an wilden Müllkippen. Vor allem aber: Tauben abschießen!