Kids müssen draußen bleiben

Klik, einem Laden für Straßenkids, droht das Aus, weil das Landesjugendamt die Förderung streicht. Sozialverwaltung verweist auf andere Einrichtungen. Dass die reichen, bezweifeln die Betroffenen

VON CHRISTIAN VATTER

Mo (20) ist Punkerin. Sie lebt auf der Straße. Auf ihrem Schoß sitzt die kleine Lia (2[1]/2). Die beiden malen. Sie sitzen im „Klik“ – dem „Kontaktladen für Straßenkinder in Krisen“ in Mitte. Die Mutter von Lia – Assel (29) – ist auch dabei. „Lia hat hier ganz viele Onkel und Tanten“, sagt sie und lächelt. Assel hat inzwischen eine Wohnung gefunden, kommt aber trotzdem noch hierher.

Der Klik soll jungen Leuten von 13 bis 27 Jahren, die auf der Straße leben, einen Ort zum Verschnaufen bieten. An drei Tagen in der Woche können sie hier für ein paar Stunden entspannen, duschen, billig essen, im Werkraum basteln oder Billard spielen. Und das nutzen mindestens 60 von ihnen pro Tag.

Jetzt droht dem Klik das Aus: Sozialarbeiter Vincenz Leuschner fasst zusammen: „Ab März hat unser Trägerverein kein Geld mehr vom Landesjugendamt bekommen.“ Rita Hermanns, die Sprecherin von Jugendsenator Klaus Böger (SPD), bestätigt das: „Wir müssen Einrichtungen schließen, um zu sparen. In der Nähe gibt es ähnliche Anlaufstellen für volljährige Jugendliche.“ Der Klik berate zunehmend Volljährige und eben nicht mehr Jüngere, argumentiert Hermanns, und sei deshalb verzichtbar. Andere Jugendeinrichtungen wiederum nicht: „Bei der Anlaufstelle am Bahnhof Zoo zum Beispiel können die Jugendlichen nicht woandershin.“

Erika Alleweldt, die auch als Sozialarbeiterin im Klik arbeitet, sieht das nicht so: „Unser Schwerpunkt liegt auf 16- bis 17-Jährigen und auf Leuten um die 23.“ Ramona Pop, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, nennt die Schließungspläne „zynisch“: „Bei der Jugendhilfe wird gekürzt und es gibt immer weniger Hilfeangebote für Volljährige. Immer mehr Jugendliche sind auf die Angebote des Kontaktladens angewiesen.“

Im Klik gibt es auch einen ruhigen Raum, in dem Jugendliche mit einem der drei SozialarbeiterInnen Probleme besprechen können. „Bei uns beruht alles auf Freiwilligkeit“, sagt Erika Alleweldt. „Die Jugendlichen können anonym bleiben. Das ist wichtig, um langsam Vertrauen aufzubauen und danach vielleicht gemeinsam eine Perspektive für ihr Leben zu entwickeln.“ Dass das keine leichte Aufgabe ist, bestätigt auch ihr Kollege Vincenz Leuschner: „Schon nach vier Stunden im Klik fühlt man sich, als hätte man einen Tag auf dem Bau gearbeitet. Wir besprechen hier in einer stressigen Umgebung heftige Probleme.“

Im Klik teilen sich drei SozialarbeiterInnen zwei Stellen. Der erste Kontakt entsteht meist auf der Straße: Die MitarbeiterInnen besuchen die Jugendlichen dort, wo sie sich sonst aufhalten: am Alexanderplatz, Bahnhof Friedrichstraße und anderen öffentlichen Plätzen. „Da sie aber von Wachleuten vertrieben werden, verteilen sie sich mehr auf Randgebiete, wo wir sie schlechter erreichen“, sagt Alleweldt.

Und wenn alles gut läuft, kann einem Klik-Besucher eine Wohnung oder ein Job vermittelt werden. Jens (24) zum Beispiel ist jetzt in einem Jobprogramm des Arbeitsamtes, wo er ausprobieren kann, was ihm Spaß macht. Er schnitzt und sägt im Werkraum einen Tisch. Vier Jahre hat er auf der Straße gelebt und hat jetzt – dank des Klik – seit drei Jahren einen festen Wohnsitz. Nun will er ein freiwilliges soziales Jahr in Frankreich machen. „Die Zeit auf der Straße ist vorbei. Da will ich nicht mehr dran denken“, sagt er entschlossen.