Latortue soll neuer Premier in Haiti werden

Der frühere Außenminister lebt in Florida im Exil. Er nennt „Sicherheit und nationale Versöhnung“ als erstes Ziel

PORT-AU-PRINCE ap/taz ■ Der ehemalige Außenminister und UN-Diplomat Gerard Latortue soll Haiti als neuer Ministerpräsident aus der Krise führen. Der in Florida lebende und dort zuletzt als TV-Talkshow-Moderator arbeitende Exilhaitianer nahm am Dienstag die Berufung durch einen „Rat der Weisen“ an. Dieser hatte den 69-jährigen Kritiker des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide vor der Entscheidung zweieinhalb Stunden per Telefon befragt.

Latortue soll nach der Rückkehr aus seinem Exil in Boca Raton den noch amtierenden Ministerpräsidenten Yvon Neptune ablösen. Wichtigste Aufgabe des neuen Premierministers ist eine Versöhnung der zuletzt tief gespaltenen Bevölkerung Haitis und ein Ende der Übergriffe und Plünderungen. In dem Karibikstaat muss dringend die Versorgung mit Lebensmitteln, medizinischen Gütern und der ungefährdete Zugang in alle Teile des Landes gesichert werden. Mittelfristig soll Latortue allgemeine Wahlen vorbereiten.

Latortue war 1988 Außenminister der Regierung von Leslie Manigat, die durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Für das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) arbeitete er in den westafrikanischen Staaten Togo und Elfenbeinküste.

Als Ministerpräsident sehe er seine Hauptaufgaben in der Wiederherstellung von Sicherheit, Gerechtigkeit, Arbeitsplätzen und nationaler Versöhnung, sagte er der Zeitung South Florida Sentinel. Er wolle Haitianer aller politischen und sozialen Gruppierungen einbinden. „Ich denke, Aristide ist bereits Vergangenheit“, sagte er. „Wir blicken jetzt nach vorne, um ein Haiti nach dem Desaster des Aristide-Regimes zu bauen.“

Die haitianische Polizei plant mit Unterstützung der 1.600 nach Haiti geschickten US-Marineinfanteristen eine umfassende Entwaffnung der Bevölkerung. Der wichtigste Vertreter der US-Truppen, Oberst Charles Gurganus, forderte gestern alle Haitianer auf, ihre Waffen abzugeben und bewaffnete Personen zu nennen.

Die Vereinten Nationen riefen die Staatengemeinschaft zu humanitärer Hilfe für Haiti auf. 35 Millionen Dollar würden benötigt, um die drei Millionen ärmsten Einwohner des Landes über die nächsten sechs Monate hinweg zu versorgen, erklärte der stellvertretende Generalsekretär für humanitäre Fragen, Jan Eggeland, in New York.