Fechten, tanzen, singen

Manchmal wirft man sich in den Staub, um des Publikums Gunst zu gewinnen: Das Theater N.N. bringt mit „Molière. oder der Theaternarr“ in großteils gelungenem Stilmix wieder einmal ein Künstlerleben auf die Bühne

„Ich will kein Tapezierer werden“, spricht Molière. Auch seine Angebetete hat sich der Schauspielerei verschrieben. Ein kleines Bühnenpodest trennt die beiden auf der Spielfläche des Theater N.N. Ein Schritt auf sie zu – und schon ist Jens Wesemann alias Molière auf der Bühne; das Spiel beginnt. Zwei Stunden lang nimmt das Ensemble die Zuschauer mit auf die Reise durch das Frankreich Ludwig XIV.

Nach der Mozart-Revue vor zwei Jahren hat sich Theaterchef Dieter Seidel mit Molière. oder der Theaternarr wieder an ein großes Theaterleben gewagt. In sieben Wochen Probenzeit hat das Ensemble ein Stück entwickelt, das durch die Einfachheit seiner theatralischen Mittel besticht. Dramaturgin Sabine Hanno-Weber hat die Textgrundlage geliefert. Fragmente aus Stücken des französischen Komödianten wechseln sich ab mit Szenen, die aus Improvisationen entstanden sind. Der Plot: Molière macht sich mit seinen Leuten auf in die Provinz und lernt schnell, dass man sich für Applaus manchmal in den Staub werfen muss. Denn das Publikum mag Possen lieber als Tragödien, und so ist Molière zum Komödianten verdammt.

Hart sind die Wanderjahre, bis man die Gunst des Königs gewinnt. Da wird gefochten, gesungen und getanzt. Dieser Formen-Mix gehört zum Konzept Seidels. Mit seinen Inszenierungen hat er sich im Laufe der vergangenen Jahre einen unverkennbaren Stil erarbeitet. Und demjenigen, der um den Kampf des Theaters N.N. für eine eigene Spielstätte weiß – die Räume im ehemals geplanten Altonaer Kulturbahnhof, die das Theater N.N. 2001 auf Drängen des Vermieters, der Deutschen Bahn, verließ, stehen seither leer –, werden auch schnell die Parallelen zur molièreschen Truppe klar. Politische Anspielungen unterbleiben aber, es gibt keinen Hinweis auf Subventionskrampf im 20. Jahrhundert.

Und trotz der bescheidenen Geldmittel hat Seidel für diese Inszenierung wieder exzellente Schauspieler um sich versammelt. Er selbst tritt als Getränkeverkäufer, Kartenabreißer und Beleuchter in Aktion. Wo es an Bühnentechnik fehlt, werden Umbauten mit Eleganz ins Stück integriert. Die Kostüme (Kati Krüger) sind historisierend, aber ohne Pomp. Da werden Jeans mit Schlitzen zum pludernden Beinkleid und Turnschuhe mit goldenen Schnallen zum höfischen Schmuckstück.

Bei aller Spielfreude hat Seidel es aber leider nicht geschafft, alle Gefahren seiner Arbeitsweise zu meiden. Denn der Spannungsbogen geht irgendwann im Alltagstrott der Molières verloren. Um so schöner, dass Claudia Schermutzki mit ihrem nachdenklichen Abgang als verstoßene Geliebte ein Ende einleitet, das die Zuschauer noch einmal mitreißt. Christian Rubinstein

weitere Vorstellungen: Do-So, 15.-18.5. sowie ab Sa, 14.6., Hellkamp 68