Pleitewelle erfasst auch das Ruhrgebiet

Die Bekleidungsfirma Jo. C. Boecker GmbH und der Autohändler Reintges in Essen haben Insolvenz angemeldet. Auch Kleinstbetriebe sind massiv von Pleiten betroffen. Nur wenige von ihnen haben Aussicht auf ein Sanierungsverfahren

RUHR taz ■ Für Unternehmen im Ruhrgebiet sieht es alles andere als gut aus. Die Pleitewelle in NRW hat auch die Region fest im Griff. Nicht nur größere Unternehmen wie die Bekleidungsfirma Jo. C. Boecker GmbH in Essen müssen Insolvenz anmelden, auch sogenannte Kleinstunternehmen gehen öfter pleite.

Bei Boecker stehen etwa 50, meist langjährig Beschäftigte, nun vor der Arbeitslosigkeit. Auch der renommierte Autohändler Reintges in Essen hat Insolvenz angemeldet. Die Stadt Essen meldet für das Jahr 2003 Rekordzahlen bei den Insolvenzanträgen. So gab es 67,2 Prozent mehr Insolvenzen als im Jahr zuvor. Insgesamt gingen 674 Unternehmen pleite. Freuen dürfen sich darüber wenn überhaupt nur die Gläubiger, denn ihnen stehen 270 Millionen Euro zu.

In anderen Städten des Ruhrgebiets ist die Situation ähnlich. In Duisburg haben nach Auskunft der Industrie- und Handelskammer im Jahr 2003 etwa 42 Prozent mehr Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt, insgesamt waren es 268. In Wesel waren es 31 Prozent mehr als noch im Jahr 2002. Die anderen Industrie- und Handelskammern in der Region haben die Daten für das Jahr 2003 noch nicht vorliegen. Zu erwarten ist aber, dass der Trend überall ähnlich aussieht.

„Über Insolvenzen größerer Unternehmen wird in den Medien immer viel berichtet, weil dabei viele Arbeitsplätze auf einen Schlag verloren gehen“, sagt Christiane Siegel von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH (G.I.B.) in Bottrop.„Dabei ist auch die Situation der Kleinstunternehmen sehr bedenklich.“ Kleinstunternehmen sind solche mit bis zu 50 Mitarbeitern, für die G.I.B. im Rahmen des Pilotprojekts „Krisenintervention in kleinen Unternehmen“ im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit 22 Krisenkontaktstellen bei Wirtschaftsförderungen im Ruhrgebiet eingerichtet hat.

„Im Jahr 2003 haben sich über 500 Unternehmen von uns beraten lassen“, so Siegel, „und das sind längst nicht alle insolventen Kleinstunternehmen im Ruhrgebiet.“ Von den beratenen Unternehmen hätten nur 30 bis 40 Prozent Aussicht auf ein Sanierungsverfahren. Obwohl viele von ihnen weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen, gehen doch einige Arbeitsplätze durch die Pleiten der Kleinstunternehmen verloren. „Die extreme Bedeutung dieser Insolvenzen wird oft unterschätzt“, erzählt Siegel. Viele Unternehmen kümmerten sich zu spät um externe Hilfe.

Bernhard Lageman vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung vermutet, dass die Situation im Ruhrgebiet keine Ausnahme darstellt. „Das Muster wird sich nicht wesentlich von Gesamt-NRW unterscheiden“, so Lageman.

Ellen Reglitz