Wer rettet Bremen?

Verwaltungsgericht befasst sich mit privaten Krankentransporteuren. Die sind bislang in Bremen Stadt nicht zugelassen. In Bremerhaven schon – dort sorgen sie zum Leidwesen der Kassen für eine exorbitante Steigerung der Transporte

Bremen taz ■ Wenn in Bremen nach einem Unfall Verletzte auf der Straße liegen, muss binnen zehn Minuten der Rettungswagen da sein. So will es das Bremische Hilfegesetz, das Zeiten für Notfalltransporte, aber auch für Krankentransporte vorgibt. Doch während die Bremer Rettungswagen bei den ‚harmlosen‘ Krankentransporten gut in der Zeit liegen, wird die 10-Minuten-Regel bei den lebensbedrohlichen Notfällen eindeutig nicht eingehalten. Mit Verweis auf dieses Defizit wollten sich gestern vor dem Verwaltungsgericht drei private Anbieter in den Bremer Markt der Krankentransporte einklagen. Auch wenn ein schriftliches Urteil erst in etwa zwei Wochen vorliegt – die mündliche Verhandlung machte deutlich, dass die Richter den klagenden Firmen beipflichten.

„Der Status Quo zeigt: Wir haben hier kein funktionierendes System“, so unmissverständlich einer der drei verhandlungsführenden Richter. Laut einer von der Innenbehörde – sie ist zuständig für den Rettungsdienst – vorgelegten Auswertung, erreichten die Retter das 10-Minuten-Ziel im zweiten Halbjahr 2003 nur bei 79 von 100 Einsätzen. Jeder zwanzigste Notfall-Patient habe sogar länger als 16 Minuten auf Hilfe warten müssen. Ursache dafür könnte eine zu starke Beanspruchung durch Krankentransporte sein. Denn eine andere Erhebung zeigt, dass der Bremer Fuhrpark von 25 Rettungsfahrzeugen mit Rettungs- und Krankentransportfahrten, mit Wartung und Kontrolle zu 95 Prozent ausgelastet ist. „Wie wollen Sie an der ungenügenden Situation denn da etwas ändern?“, fragte der Anwalt der Kläger.

Mitkläger ist zum einen die Firma Pro Medica, die in Bremerhaven bereits als privater Transporteur zugelassen ist und in Bremen nun auch zwei Rettungswagen rund um die Uhr betreiben möchte. Zwei weitere Anträge liegen außerdem vor. Vier neue Krankentransporter könnten also demnächst – zusätzlich zu denen von der Feuerwehr, vom Roten Kreuz, vom Arbeiter Samariter Bund und dem Malteser Hilfsdienst durch die Straßen Bremens brausen.

Die Stadt ist von der Konkurrenz nicht begeistert. Sie muss, um ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen, genauso viele Wagen wie bisher im Einsatz halten – denn die Notfallrettung darf auch weiterhin nur hoheitlich von der Stadtgemeinde durchgeführt werden. Zurzeit kostet das in Bremen rund 15 Millionen Euro jährlich. Wenn Leerzeiten in Zukunft nicht mehr mit Krankentransporten aufgefüllt werden, stehen teure Autos und teures Personal untätig herum: „Die Folge ist, dass die einzelnen Rettungseinsätze teurer werden“, erklärt die zuständige Referatsleiterin Wiebke Wietschel auf Nachfrage. Jede Rettungsfahrt wird mit der Krankenkasse abgerechnet. Hat Bremen die Kosten bisher durch etwa 70.000 Notfall- und Krankentransporte – geteilt, so müssten dieselben Kosten künftig durch weniger Transporte geteilt werden. Wietschel: „Unserer Ansicht nach ist daher das kombinierte Modell, bei dem Fahrzeuge sowohl Rettungs- als auch Krankentransporte machen, das für die Versicherten günstigste.“

Das sehen die privaten Kläger ganz anders: Durch das staatliche Monopol seien die Preise für Krankentransporte keiner Konkurrenz ausgesetzt und damit teurer als nötig. Also könnten sich die Krankenkassen über die neue Situation eigentlich freuen. Das Gegenteil ist der Fall: Ein Vertreter der gesetzlichen Kassen in Bremen wies darauf hin, dass sich nach der Zulassung Privater in Bremerhaven die Zahl der Krankentransporte fast verdoppelt habe. Durch Werbung in Arztpraxen und Altersheimen würden, so sein Verdacht, Transporte durchgeführt, die auch und sehr viel kostengünstiger mit einem Taxi erledigt werden könnten. Ein Krankentransport durch den privaten Anbieter in Bremerhaven kostet zur Zeit etwa 85 Euro.

Die Stadt Bremen kündigte vor Gericht die Vergabe eines Gutachtens zur Neuorganisation des Rettungsdienstes an. Damit wolle sie künftig die vorgeschriebenen Zeiten erreichen. Dann könnte sie die Fahrerlaubnis für Private Anbieter, die sie jetzt wohl erteilen muss, wieder widerrufen. Elke Heyduck