Der Staub sprengt alle Grenzen

Eine EU-Norm begrenzt ab 2005 die Schadstoffbelastung durch Mikrostaub, der die Atemwege belastet. Umweltsenator Peter Strieder hält die für völlig überzogen. Umweltschützer toben

VON DAVID DAUNER

Dass tödlicher Kleinststaub durch Ignoranz und Untätigkeit nicht einfach verschwindet, dürfte auch Umweltsenator Peter Strieder (SPD) bekannt sein. Doch genau das wirft dem Senator die Umweltschutzvereinigung BUND vor. Strieder weigere sich, EU-Richtlinien zur Schadstoffbelastung durch Feinstaub umzusetzen, so der Vorwurf des Landesgeschäftsführers Stefan Bundscherer.

Tatsächlich ist die Belastung durch Mikrostaub in Berlin alarmierend. Seit 2001 nahm die Belastung kontinuierlich zu, wie langjährige Untersuchungen des Berliner Luftgütemessnetzes ergaben. Die gesundheitlichen Schäden sind laut Bundscherer dramatisch. Die mikroskopisch kleinen Partikel würden sich über die Atemwege in der Lunge festsetzen. Mögliche Folgen reichen von Atemwegserkrankungen bis Lungenkrebs. Bundesweit stürben jährlich 14.000 Menschen an den Folgeschäden. Schuld an der Misere seien die Abgase von Dieselfahrzeugen und der Mangel an Filtern, welche die gefährlichen Rußpartikel aussieben könnten, so Bundscherer.

Eine EU-Richtlinie schreibt daher Höchstwerte für diese Art der Schadstoffbelastung ab 1. Januar 2005 vor. Doch Berlin wird die Grenzwerte kaum einhalten können. Obwohl der Termin seit Jahren bekannt sei, habe Strieder das Problem vor sich hergeschoben und ignoriert, so der BUND. In einer Sitzung des Umweltausschusses habe der Senator die EU-Grenzwerte sogar als puren Blödsinn und völlig überzogen bezeichnet.

Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, findet die Haltung des Senators unverantwortlich. Es habe nur wenige halbherzige Modellversuche zur Schadstoffreduzierung gegeben. Und selbst die seien nicht konsequent durchgeführt worden, bemängelte Kubala.

Ganz anders sieht das Manfred Breitenkamp von der Senatsverwaltung für Umwelt. Zahlreiche Maßnahmen seien zur Verminderung des Feinstaubes eingeführt worden, so der Beamte. So seien einige Nutzfahrzeuge kommunaler Betriebe und Fahrzeuge von BSR und BVG mit Erdgasmotoren ausgerüstet worden. Im Rahmen eines Projekts mit dem Umweltministerium habe man zudem 1.000 Erdgastaxen geordert. Auch verzichte die Stadt beim Winterdienst seit neustem auf das Kleinstpartikel enthaltende Granulat.

Vor allem bemängelt Breitenkamp aber den Grenzwert. Danach darf zum einen ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft nicht überschritten werden. Zum anderen wurde festgelegt, dass nur an maximal 35 Tagen im Jahr 50 Mikrogramm überschritten werden dürfen. Letzteres sei völlig überzogen, da nicht einzuhalten, argumentiert die Umweltverwaltung. Seit 2001 hat sich die Zahl der Überschreitungen des zweiten Grenzwertes in Berlin verdoppelt.

Andere europäische Metropolen bekommen das besser hin, berichtet Umweltschützer Stefan Bundscherer. So sorge in London die City-Maut für eine geringere Schadstoffbelastung. Und in Kopenhagen herrsche Dieselfahrzeugverbot in der Innenstadt. Ginge es nach dem BUND, dürften auch in Berlin Dieselfahrzeuge ohne Filter innerhalb des S-Bahn-Rings nicht mehr fahren. Felicitas Kubala von den Grünen geht nicht ganz so weit: „Wir fänden bereits ein Lkw-Verbot für die Innenstadt sehr gut.“