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: Der Kaiser löscht die Lichter

Starke Abschiedsauftritte von Bayern und VfB kaschieren bloß notdürftig die europäische Misere der Bundesliga

Die (Eigen-)Lobgesänge waren fast hymnisch. „Meine Mannschaft hat Stuttgart und den deutschen Fußball würdig vertreten“, freute sich der VfB-Trainer Felix Magath nach dem Champions-League-Aus beim FC Chelsea, „wir haben uns hervorragend verkauft und klasse Spiele geliefert.“ Ähnlich klang es aus Madrid. „Wir gehen erhobenen Hauptes vom Platz, letztes Jahr haben wir uns davongeschlichen“, zog Bayern Münchens Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge eine dezent positive Europacup-Bilanz. „Wir haben uns gut verkauft“, sagte Oliver Kahn, der Unglückstorwart vom Hinspiel.

Ohne Zweifel kam das Aus für beide Teams auf ziemlich bittere Weise zustande. Wäre Kahns Freistoßpatzer zum 1:1 im Hinspiel nicht gewesen, hätte es einer wesentlich besseren Leistung von Real Madrid bedurft, die Bayern in Schach zu halten. Und im Falle von Chelsea lag Stuttgarts Präsident Erwin Staudt nicht ganz falsch, als er sarkastisch sagte: „Geld allein schießt keine Tore. Sogar das mussten wir selbst machen.“ Wobei in der Debatte um das Eigentor des armen Fernando Meira beim 0:1 in Stuttgart unterging, dass es in Wahrheit eine großartige Abwehraktion des Portugiesen gewesen war, welche die Krönung eines perfekten Chelsea-Angriffs fast noch verhindert hätte.

Mit Würde, so die allgemeine Lesart, hatten sich Bayern und VfB verabschiedet, es musste schon der Kaiser kommen, um zielsicher das Haar in der Suppe zu identifizieren. „Es gehen langsam die Lichter aus“, sprach Franz Beckenbauer die missliche Tatsache an, dass im Viertelfinale der Champions League keine Bundesliga-Mannschaft vertreten sein wird und der Uefa-Cup schon länger ohne deutsche Beteiligung auskommen muss. „Wir haben nach dem letzten Jahr gesagt, das war Zufall oder Pech. Aber es ist noch schlechter geworden“, konstatierte der Bayern-Präsident unnachsichtig.

Die starken und couragierten Darbietungen der Stuttgarter und Münchner gegen zwei der reichsten und ambitioniertesten Klubs Europas übertünchten mit dicker rosa Farbe das traurige Gesamtbild, das die deutschen Teams einmal mehr abgegeben hatten. Zumal gestern zu den Hinspielen im Achtelfinale des Uefa-Cups auch keine jener Mannschaften mehr antrat, welche die Ambitionen von HSV, Hertha, Kaiserslautern, Schalke und Dortmund frühzeitig beendet hatten. Sie alle waren in der 3. Runde ausgeschieden.

Und bei genauerem Hinsehen waren auch die Abschiedsvorstellungen in der Champions League nicht ganz so imposant, wie sie auf den ersten Blick erschienen. „Wenn Chelsea den VfB schlagen kann, dann können sie auch weit kommen“, hat Felix Magath den Londonern auf ihren Weg mitgegeben. Ein glatter Euphemismus: Trotz aller Abramowitsch-Millionen gehört der englische Klub noch längst nicht zur absoluten europäischen Spitze. Zu viele Positionen sind nur mit sehr guten, aber nicht überragenden Spielern besetzt, außerdem fehlt die Harmonie. Und Real wird sich im Viertelfinale mächtig steigern müssen, um nicht vom galaktischen Team zur Sternschnuppe herabzusinken. Solange einer wie Michel Salgado in Madrid den besten Mann geben muss, braucht jedenfalls keiner der verbliebenen Vereine Angst zu haben. Gegen München geriet Real aber ebenso wenig ernsthaft in Gefahr wie Chelsea gegen den VfB.

Es ist das Problem der Bundesligisten, dass außer den Bayern kein Klub die nötige Konstanz aufweist, um sich dauerhaft in der Champions League zu etablieren. Nur dort ist das große Geld zu verdienen, wer ein paar Mal nicht dabei ist, verliert den Anschluss. Besonders drastisch zu bestaunen bei Borussia Dortmund, aber auch bei Leverkusen oder Hertha BSC. Der mit den finanziellen Einbußen verbundene Qualitätsverfall sorgt für eine spannende Liga, was aber erst recht die dauerhafte Etablierung von international konkurrenzfähigen Topteams verhindert. Während in England, Spanien oder Italien im Prinzip immer dieselben Vereine oben stehen, darf sich in der Bundesliga fast jeder Chancen auf einen der spärlicher werdenden Plätze im Europacup ausrechnen, ist dann im Erfolgsfall aber schon gegen Grodzisk oder Teplice überfordert. Oder scheidet mit erhobenem Haupt im Achtelfinale der Champions League aus.

MATTI LIESKE