Die Dummheiten der Kathrin L.

Kathrin Lenzer, 37, kam aus dem Feuilleton, schrieb den Generationenratgeber „30 – Bis hierher und wie weiter?“ und wollte eigentlich eine erfolgreiche Chefredakteurin werden FOTO: PICTURE ALLIANCE/DPA

Am Donnerstag hatte sie noch wie gewohnt gearbeitet, die überraschend kurze Konferenz geleitet, aber anders als so oft gut gelaunt, ja geradezu gelöst gewirkt. Was Kathrin Lenzer niemandem in der Redaktion sagte: Es war ihr letzter Arbeitstag als Chefredakteurin der Westfälischen Rundschau. Am Abend wurde dann bekannt, dass sie schon vor einigen Tagen gekündigt hatte und seit gestern beurlaubt ist.

Es war das glanzlose Ende einer von Anfang an verkorksten Vorstellung: Mit großer Fanfare hatte der WAZ-Konzern, zu dem das Dortmunder Blatt gehört, Ende 2007 die Personalie verkündet. Junge, ehrgeizige Frau für altbackene, männerdominierte Lokalzeitung. Da waren schon die Ersten hörbar verschnupft – und die Geschichte nahm ihren Lauf: Schon kurz nach Amtsantritt der damals 36-Jährigen im Januar hatte sich die Redaktion mehrheitlich gegen ihre neue Chefin positioniert.

So kam Lenzer im Rundschau-Haus in der Dortmunder Innenstadt niemals richtig an. Denn Lenzer galt vielen als Geschöpf des Essener WAZ-Chefredakteurs Ulrich Reitz, die den in den Augen der Verlagsgeschäftsführung maroden Dortmunder Haufen auf Linie bringen sollte, erzählen die einen. Unsinn, Lenzer sei ein ganz normaler Versuch, einer in die Jahre gekommenen, klassischen Lokalzeitung frischen Wind einzuhauchen und sie so zukunftsfähig zu machen, sagen die anderen. Lenzer, deren Vater für die CDU im Bundestag saß, kam wie Reitz von der konservativen Düsseldorfer Rheinischen Post und war dort Feuilleton-Redakteurin. Mit Blick auf ihre Dortmunder KollegInnen bekannte sie mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Ich komme aus einer anderen Welt.“ Was ehrlich war, aber nicht klug.

Und längst nicht der einzige Fehler: Als im März der Lidl-Mitarbeiter-Bespitzelungsskandal über die Ticker lief, verhinderte die Chefredakteurin die geplante Titelgeschichte in der WR: Lidl sei schließlich ein wichtiger Anzeigenkunde, nahm Lenzer damals Rücksicht – und WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach musste selbst eingreifen, um die Wogen in Dortmund zu glätten.

Viele kleine Scharmützel folgten, die Stimmung blieb mies, die Chefin igelte sich ein, der Ton wurde rauer. Im Herbst musste schließlich WR-Sportchef Hermann Lamberty auf Druck von Lenzer gehen, weil er sich angeblich beleidigend über die Chefin geäußert habe. Wie immer im Konzern einigte man sich außergerichtlich.

Gestern auf der Betriebsversammlung des Konzerns stellte Geschäftsführer Hombach Lenzers Nachfolger Malte Hinz mit warmen Worten vor. Für Lenzer blieb nicht mal ein Wort des Dankes. STEFFEN GRIMBERG

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