tonkrieger im sixpack: wir basteln uns eine terrakotta-armee

Die Idee war ja ganz originell – aber vielleicht ist es doch ein bisschen mühsam, als singende Geburtstagskarte oder als „Style-Managerin“ in Berlin zu reüssieren. Die 600 Euro Ich-AG-Zuschuss, die es monatlich im ersten Jahr der Selbstständigkeit gibt, lassen sich jedenfalls viel besser anlegen. Zum Beispiel in der internationalen Kunstbranche. Oder sagen wir ruhig: im globalen Kulturtransfer. Denn schon für 600 Euro, zuzüglich Frachtkosten, lässt sich online ein veritables „achtes Weltwunder“ erwerben. Mal zwölf ergibt das schon fast eine „Jahrhundert-Schau“.

Sie zweifeln? Dann aber ab in die heute eröffnete Ausstellung im Palast der Republik. Hier zeigt der Thüringer Veranstalter Terra Präsenta die „Terrakotta-Armee des ersten chinesischen Kaisers“. Der hatte sich tatsächlich im Jahr 206 vor Christus, wahrscheinlich um im Jenseits weiterzuwüten wie im wirklichen Leben, mit einer 7.000-Mann-Armee beisetzen lassen. Und weil Qin Shihuang, so der Name des bemerkenswerten Reichsgründers und ersten Kaisers, schon zu Lebzeiten hunderttausende Untertanen beim Bau der Großen Mauer und in Massenhinrichtungen verschlissen hatte, musste seine Entourage wohl aus Ton nachgebrannt werden. In der Erde versenkt, wurde sie 1974 von einem pflügenden Bauern entdeckt.

Die interessanten Originale stehen nun in ihrem geöffneten Grab nahe der Stadt Xi’an im mittleren Westen Chinas. Aber die ganze Volksrepublik ist heute Aufmarschgebiet der tönernen Kampfbolde. An Flughäfen, in Pekinger Restaurants, in Kantoner Hotels, in Freundschaftsläden – überall erinnern irdene Rekruten an die Käuflichkeit der Kunst. Ein Gaul gefällig? Bestellnummer TW-10-01, lebensgroß (chinesische Pferde sind kleiner als Hannoveraner), 200 x 52x180 cm, 290 Kilo, 1.260 Dollar. Oder der „Standardsoldat“, nur 600 Euro, in Peking im Hunderterpack für weniger als 400 Euro zu kaufen. „Erichs Lampenladen“ beendet seine Existenz damit jedenfalls ganz linientreu: als „Haus der industriell gefertigten Massenkunstware“ – ein Traum der sozialistischen Massenlenker. Bis 27. 6., täglich 10–20 Uhr. ADRIENNE WOLTERSDORF

FOTO: TRAVEL CHINA GUIDE