Trauer, aber keine Panik

Nach den Terroranschlägen in Madrid bleiben die Behörden gelassen. Innensenator Körting (SPD) stuft die Sicherheitslagein der Hauptstadt als ruhig ein. Und auf der Internationalen Tourismus-Börse in den Messehallen – Business as usual

VON MARTIN KAUL
UND DAVID DAUNER

Nach den Terroranschlägen in der spanischen Hauptstadt Madrid wird in Berlin die Gefahrenlage geprüft. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bestellte gestern kurzfristig Polizei, Feuerwehr, Katastrophen- und Verfassungsschutz ein. Fazit: Keine Panik. Auch die Bahn reagiert gelassen. Im Übrigen gilt: Erst mal die Ermittlungen in Spanien abwarten.

In Madrid, der Berliner Partnerstadt, waren am Donnerstag nach mehreren Bombenexplosionen 198 Menschen getötet und über 1.500 verletzt worden. Im Hinblick auf die bislang weitgehend ungeklärte Täterschaft und die neue Qualität des Terrors in Europa haben die Attentate auch in Deutschland eine Sicherheitsdebatte ausgelöst. Doch in Berlin scheint man sich einig.

Körting erörterte mit den Sicherheitsdiensten die aktuelle Sicherheitslage und die Frage, wie die Behörden auf ähnliche Großlagen wie in Madrid vorbereitet sind, heißt es in einer Pressemitteilung der Innenverwaltung. „Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass in Berlin Gleiches oder auch nur Vergleichbares wie in Madrid passieren könnte“, sagte Körting. Es bestehe kein Grund, „in Angst zu verfallen“. Körting sagte, derzeit stünden 100 Rettungswagen in ständiger Bereitschaft. Damit könnten mehrere hundert Verletzte sofort versorgt werden.

Im Bund hatten Teile der CSU gefordert, an Bahnhöfen ähnlich strenge Kontrollen wie auf Flughäfen durchzuführen. Dem widersprach der CDU-Innenexperte im Abgeordnetenhaus, Peter Trapp. Er hält die bereits angewendete Videoüberwachung in Bahnanlagen für „ausreichend“. Solange es keine konkrete Gefahrenlage gebe, seien auch keine verstärkten Sicherheitsvorkehrungen nötig.

Auf Berliner Bahnhöfen waren gestern nicht mehr Sicherheitsbeamte im Einsatz als sonst. Jörg Kunzendorf, Sprecher des Bundesgrenzschutzes (BGS), sagte: „Wir halten erst mal am alten Sicherheitskonzept fest.“ Körting betonte: „Die schrecklichen Ereignisse in Madrid müssen erst einmal genau aufgeklärt werden.“ Will heißen: Zeigt sich, dass nicht die ETA, sondern etwa die islamistische Terrorgruppe al-Qaida hinter den Anschlägen in Madrid gesteckt hat, könnte sich der Innensenator noch zu weiter gehenden Maßnahmen entschließen.

Die zentrale Frage, wer hinter den Anschlägen steckt, spielt auch auf der gerade eröffneten Internationalen Tourismus-Börse (ITB) eine wichtige Rolle. Stellt sich heraus, dass die ETA die Anschläge zu verantworten hat, nimmt bei spanischen Ausstellern wohl nicht mehr alles seinen so gewohnten Gang – wie es noch gestern der Fall war. Umsatzeinbrüche befürchten die optimistischen Aussteller erst mal nicht. Die Anschläge hätten jede große europäische Metropole treffen können, sagt Montserrat Arnau von der Stadtverwaltung Barcelona. Eine besondere Gefahr für spanische Großstädte könne sie nicht ausmachen. Für den Sommer erwarte Barcelona wie gewohnt eine große Anzahl von Touristen, sagte Arnau.

Vor Panikmache warnt auch Alvaro Blanco, Pressesprecher des Spanischen Fremdenverkehrsamtes. Die Bürger Europas sollten den Terroristen zeigen, dass sie sich von solchen Untaten nicht beeindrucken lassen, fordert Blanco. Die Besucher der ITB gehen mit der Gefahr des Terrorismus ganz gelassen um. Der Andrang an den spanischen Ausstellungsständen ist groß.

Wovor sich die spanische Tourismusbranche fürchtet – dass die ETA hinter den Anschlägen steckt –, davon ist der spanische Botschafter José Rodriguez-Spiteri überzeugt. Nicht zuletzt mit Blick auf den morgigen Wahlsonntag in Spanien unterstellen Kritiker der spanischen Regierung ein Interesse, die ETA für die Anschläge verantwortlich zu machen.

Seinen Berliner Dienstsitz hält der Botschafter für sicher. Er habe „keinerlei Sicherheitsbedenken“. Zwar habe er „eine kleine Verstärkung von der Polizei“ erhalten, doch glaube er nicht, dass in Berlin weitere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssten. „Freiheit und Demokratie haben ihre Kosten. Es gibt keine unbegrenzten Möglichkeiten, solche Grausamkeiten zu vermeiden. Ich bin dankbar für das große Mitgefühl, das uns in Deutschland entgegengebracht wird.“

Neben unzähligen Bekundungen an die spanische Botschaft, war für den gestrigen Abend ein Trauermarsch unter dem Motto „Für ein Europa ohne Gewalt“ vom Brandenburger Tor zur Botschaft an der Liechtensteinallee geplant, in der das Kondolenzbuch ausliegt. Auf der ITB wurde eine Gedenkminute abgehalten.