Beschwerliches Remis

Der Wuppertaler SV verteidigt im Spitzenspiel die Tabellenführung der Regionalliga. Der Druck wächst

WUPPERTAL taz ■ Es gab eine Zeit, da gehörte Ales Kohout zum Aussortiersortiment beim Wuppertaler SV. Der Angreifer aus Tschechien hätte in der Oberliga fast seinen Arbeitsplatz verloren und damit seine Aufenthaltsgenehmigung – wäre da nicht der Präsident, Sponsor und Mäzen von der Wupper, Friedhelm Runge, gewesen, dem man nachsagt, er würde „auch mal sozial entscheiden“. Mit fußballerischer Großkenntnis hat Runge bis dato nicht immer überzeugt, aber in punkto Kohout traf das Herz auf Glück. Der 33-Jährige schoss in der laufenden Saison bereits acht Tore. Und am Samstag rettete er dem Tabellenführer der Regionalliga Nord im Spitzenspiel gegen den Zweitplatzierten Dynamo Dresden mit seinem Tor in der 72. Minute ein 1:1 und drei Punkte Vorsprung in der Tabelle.

Von einer gerechten Punkteteilung sprachen beide Trainer nach einem Spiel, das „hinsichtlich der Dramatik ein absolutes Spitzenspiel war, mir aber fußballerisch überhaupt nicht gefallen hat“, wie es Wuppertals Georg Kreß nach dem Spiel sagte. Im „Stadion am Zoo“ sahen über 10.000 Zuschauer eine weitgehend von Kampf und Krampf geprägte Partie, in der sich vor allem beim Spitzenreiter der Erfolgsdruck bemerkbar machte. Die Atmosphäre war also schon mal auf Zweitliga-Niveau. Es gab Kuchen und Kaffee und Schiedsrichter Mike Otte pfiff wegen der Zündeleien der 2.000 Dresdner Fans mit Verspätung an. Eine von Otte wenigen richtigen Entscheidungen an diesem Tag.

Der WSV, bis dahin in sechs Spielen ungeschlagen, agierte in der ersten Halbzeit oberligareif. Dresdens Thomas Neubert erzielte in der 22. Minute das nicht unverdiente 1:0 für die Gäste. WSVler Mike Terranova traf in der Nachspielzeit auf Zuspiel von Jean-Louis Tavarez, aber Otte entschied falsch und nicht auf Vorteil. Er hatte ein Handspiel gesehen, pfiff ab und gab Elfmeter, den Wuppertals Torjäger Oliver Ebersbach verschoss.

„Hier kann man noch was bewegen“, sagte Torjägerlegende Günter Pröpper, der Wuppertal 1972 in die Bundesliga geschossen hatte. Allerdings meinte er damit nicht das Spiel, sondern die Aufbruchstimmung, vielfach bereits als „das Wunder von der Wupper“ bezeichnet. Auf die hatte sich der WSV auch dann in der zweiten Hälfte ein wenig besonnen. Plötzlich war er wieder da der schöne Offensivfußball, mit dem Kultur-Fan Kreß den Bayern vor einigen Wochen beim 3:5 imponiert hatte. In der 62. Minute flog Dresdens Dexter Langen vom Platz – für Dynamo-Trainer Christoph Franke spielentscheidend. Zehn Minuten später kam dann der Moment Kohouts. Am Elfmeterpunkt kam er zum Ball und traf. Das war es dann zunächst vom Wunder von der Wupper, das auch noch dadurch getrübt worden war, weil der Rivale aus Essen durch einen Sieg Punkte gut gemacht hatte. Der Aufstieg war im Zoo kein Thema mehr. „Wir wollten zu viel“, sagte Kreß. „Wir planen weiter zweigleisig“, sagte WSV-Manager Thomas Richter. Allerdings gibt es im Stadion ein schönes Bild, das in die Zukunft weist. Darauf sieht man, dass hinter der Wupper nicht etwa Schalke oder Bayern liegen, sondern Italien und Frankreich. INGO PETZ