Bloß nicht an das M-Wort denken

Nach dem 3:0-Sieg gegen die DEG Metro Stars können die Eisbären fürs Halbfinale der Eishockey-Meisterschaft planen. Die Spieler versuchen, das Play-off-Trauma des letzten Jahres zu vergessen. Und die Fans reden nicht vom Titel. Sicher ist sicher

von DANIEL GOLDSTEIN

Die Fans des EHC Eisbären Berlin haben sich freiwillig eine Selbstbeschränkung auferlegt. Das ist erstaunlich, lassen sie sich doch sonst selten etwas vorschreiben. Wie zum Beispiel am letzten Vorrundenspieltag der Deutschen Eishockey Liga (DEL) 2003/04: Da fuhren 50 von ihnen ohne Eintrittskarten in einem Bus von Berlin rund acht Stunden bis Ingolstadt – obwohl sie wussten, dass die Partie ausverkauft ist. Sie fanden nach zähen Verhandlungen Einlass.

Genau jene Anhänger haben sich im Prinzip informell auf ein Verbot geeinigt. Das Wort mit dem großen „M“ ist tabu. Eine Vorsicht, die fast unangemessen scheint angesichts des gestrigen 3:0-Sieges gegen die DEG Metro Stars (2:0, 0:0, 1:0). Denn jetzt, nach dem Sieg im dritten Playoff-Viertelfinale, können die Berliner für das Halbfinale um die Meisterschaft planen.

Doch von dem M-Wort sprechen rund um den Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen nur die kühnsten Optimisten. Das hat mit Aberglauben zu tun. Der Wunsch, der Club, der früher als SC Dynamo Berlin 15 DDR-Meisterschaften gewann, möge endlich den ersten gesamtdeutschen Titel holen, überstrahlt alles. Da gilt es keine Fehler zu machen.

Fehler, so meinen die hauptsächlich Ostberliner Anhänger, hätten sie in der vergangenen Saison gemacht. Nach einer herausragenden Vorrunde gingen die Eisbären vor ziemlich genau einem Jahr als großer Favorit in die Play-offs, erreichten sicher das Halbfinale und schieden nach vier Spielen gegen den späteren Überraschungs-Champion Krefeld Pinguine aus.

Ein Schock, den sowohl die Fans als auch die Spieler und Cheftrainer Pierre Pagé nicht leicht verkrafteten. Der Trainer brauchte drei Tage, um seine Fassung, und mehrere Wochen, um einen ruhigen Schlaf wieder zu finden. In dieser Saison sollte nun alles besser werden. Dumm nur, dass es fast nichts zu verbessern gab, außer dem Auftreten in den Play-offs. Und das, obwohl der Leitsatz des kanadischen Coaches Pagé lautet: „Wir müssen immer besser werden.“

Und doch staunte die DEL über die Berliner, als sie die Saison ähnlich dominant begannen. Die Hohenschönhausener eilten von Sieg zu Sieg. Denn es hatte sich eine neue Hürde vor den Spielern um den schwedischen Kapitän Ricard Persson aufgebaut: Die Ausfallliste. Genau einmal in 52 Partien konnte das Trainergespann Pierre Pagé/Hartmut Nickel seinen vollen Kader aufs Eis schicken.

Trotzdem lehrten die Eisbären die gegnerischen Teams das Fürchten. Weil sie vorgebaut hatten. Teilweise rückten 6 oder 7 18jährige Nachwuchsspieler in den Profikader auf und gewöhnten sich schnell an das Tempo und die Härte der höchsten deutschen Spielklasse. Kein Wunder also, dass die Berliner am Ende der Vorrunde wieder ganz oben standen, mit komfortablen sieben Punkten Vorsprung. „Angesichts des ganzen Trubels am Anfang und des Verletzungspechs in den letzten Monaten haben wir doch eine überraschend gute Saison gespielt“, resümierte Nationaltorwart Oliver Jonas zufrieden am Ende der Vorrunde.

Jonas war zusammen mit dem kanadischen Keeper des EHC, Rich Parent, ein Garant für viele Siege. Beide kommen exakt auf dieselbe Anzahl von Saisonspielen. Ungewöhnlich im Eishockey, jedoch profitabel für die Eisbären. Durch die Stärke des Einen konnte sich der Andere nie eine Auszeit erlauben.

In den Play-offs setzte der Trainer das strenge Wechselspiel fort. Erfolgreich bisher. Drei Siege konnten die Berliner in ihrer Best-of-seven-Viertelfinalserie gegen die DEG Metro Stars aus Düsseldorf einfahren. Abgesehen vom gestrigen klaren Sieg liefen die Spiele enger ab als erwartet. Im ersten Match rannten die Favoriten gegen den Achtplatzierten bis zur 36. Spielminute einem Rückstand hinterher, in der zweiten Partie musste sogar die Verlängerung entscheiden.

Jetzt sind die Eisbären weiter und wieder an dem Punkt, an dem sie letztes Jahr versagten. „Wir haben unsere Lektion gelernt“, sagt Assistenzkapitän und Topscorer Steve Walker und verweist auf seinen Landsmann Darryl Shannon, der im Sommer von Meister Krefeld nach Berlin wechselte. Er sagt: „Ich habe natürlich kein Patentrezept, aber in den Play-offs kommt es, glaube ich, auf die mentale Stärke an. Wir müssen immer bereit sein, von Verletzungen verschont bleiben und etwas Glück haben.“

Die Anhänger der Hohenschönhausener leisten ihren Beitrag, indem sie ein schönes Synonym gefunden haben. Statt „Deutscher Meister EHC“ schallt es in den Play-offs inzwischen „Davos, Davos, wir fahren nach Davos“ von den Rängen. Im schweizerischen Nobelskiort findet alljährlich der Spengler-Cup statt. Zum traditionsreichsten Eishockeyturnier für Clubmannschaften wurde in den letzten Jahren immer der jeweilige deutsche Meister eingeladen.