DIE LINKSPARTEI WIRD IN BERLIN DÜPIERT, SIE REAGIERT ABER UNKLUG
: Starke Sprüche mit schwacher Wirkung

„Catch 22“ ist nicht nur ein Bestseller von Joseph Heller. Catch 22 ist im Amerikanischen auch der Begriff für eine Situation schier ohne jeden Ausweg. Die führenden Köpfe der Berliner Linkspartei müssen das Buch nicht gelesen haben, um zu wissen, dass sie genau in dieser Situation sind. Was tun, wenn man weiter in Deutschlands einziger rot-roter Koalition mitregieren will, wenn man praktische Erfolge und stark gestiegene Umfragewerte vorweisen kann, aber vom größeren Partner düpiert wird?

Denn mit dem Ja Berlins zur Erbschaftssteuer hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Bundesrat mehr als deutlich gemacht, dass er die Linkspartei als Partner zweiter Klasse sieht. Nur das erklärt, wieso die SPD ohne Not die Verabredung brach, sich wie vorgesehen zu enthalten. Der Linkspartei ist hier kein politisches Vorhaben kaputtgegangen, sondern der Respekt versagt worden. Sie ärgert es am meisten, anders behandelt zu werden als FDP und Grüne, deren Koalitionsregierungen sich absprachegemäß enthielten.

Wie aber klarmachen, dass es so nicht weitergeht? Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi, der mit Wowereit 2002 die rot-rote Koalition zusammenbrachte, hat es sich am Wochenende beim Parteitag der Berliner Linken einfach gemacht: Noch einmal so etwas, und es soll Schluss sein mit der Koalition. Das hört sich markig an, bringt die Linkspartei in Berlin aber nur in eine passive Rolle. Wowereit hätte es nach einer solch ultimativen Drohung in der Hand, die Koalition zu einem von ihm gewünschten Zeitpunkt platzen zu lassen und stattdessen mit den Grünen zu regieren. Die Linkspartei müsste genau das tun, was sie gerade nicht möchte: Sie müsste springen, wenn die SPD es will. Kann sie das wollen? Nein.

Der einzige Ausweg, der aber nicht auf Dauer besteht, heißt: Nicht provozieren lassen, keine Frage der Ehre daraus machen. Und den Leuten vermitteln: Wir machen gute Arbeit für Berlin, Wowereit neidet uns das aus parteitaktischen Gründen, aber wir halten für euch auch noch die andere Backe hin – solange es eben geht. STEFAN ALBERTI