Präsidenten lehren Protest

Die Studentenvertreter halten Vollversammlungen ab, die Masse der Studis marschiert brav zur Vorlesung. Nur die Uni-Chefs rufen geschlossen zum Protest auf der Straße

Die erdnahen Landwirtschaftsstudenten von der Humboldt-Universität (HU) zeigen den restlichen Kommilitonen, wie Protest funktioniert. Während die meisten Fachschaften an den Universitäten noch über das Wie, Wann und Wo diskutieren, marschiert heute die Gärtner- und Bauern-Fakultät auf den Hackeschen Markt, um gegen den „drohenden Kahlschlag im Bildungswesen“ zu demonstrieren. Denn weiterhin sind die Hochschulen durch die massiven Sparpläne von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bedroht, doch bisher sprechen nur die Uni-Präsidenten mit einer Stimme.

Ihre Schützlinge sind noch mit Versammeln und Koordinieren beschäftigt, das wurde gestern bei den Studenten-Vollversammlungen an der HU und der Technischen Universität (TU) deutlich. Für sie ist auch die Einführung von Studiengebühren weiterhin ein entscheidender Punkt. Von der Politik und den Uni-Präsidenten wird über deren Einführung diskutiert, die Studentenvertretungen lehnen sie aber kategorisch ab und haben deshalb neben dem Finanzsenator auch noch ihre Präsidenten als Gegnerschaft entdeckt. Denn die präsidiale Diskussion über Einschreibe-Stopps und Studiengebühren ist für die Studentenvertreter Verrat an der eigenen Sache. In der HU etwa war zu hören: „Der Präsi hat nicht begriffen, worum es geht. Ich stelle fest: Er sollte eine neue Lehre anfangen.“

Peter Gaehtgens, Präsident der Freien Universität (FU), kann zwar den Protest gegen die Studiengebühren nachvollziehen, aber er wundert sich, dass es „sich noch nicht herumgesprochen hat, dass Gebühren aufgrund der Rechtslage gar nicht möglich sind“. Er hofft, dass künftig das eigentliche Problem mehr in den Vordergrund rücke. Das seien für ihn die massiven Sparpläne des Senats. Und weil ein Präsident immer mit gutem Beispiel vorangehen muss, demonstriert er morgen mit seinen beiden Kollgen und „hoffentlich vielen Studierenden“ vor den Toren des Berliner SPD-Parteitags am Funkturm.

„Eigentlich gehört Protest nicht zu unserem Geschäft“, erkennt Gaehtgens, aber der Demo-erfahrene Uni-Chef – zuletzt „97 am Brandenburger Tor“ – möchte deutlich machen, dass „Bildung vom Staat finanziert werden muss“. Von einer rot-roten Regierung habe er solche Pläne nicht erwartet, aber im Moment stehe die „Welt eben Kopf“ und so komme es auch, dass die Präsidenten eher demonstrieren gehen als die Studenten.

Die wissen zum großen Teil noch nichts von den Protesten oder haben keine Lust auf Studentenvertreter. Julia etwa studiert Mathe an der TU und geht lieber in die Vorlesung als zum Demozug vor der Tür und so ziehen nur ein paar hundert Kommilitonen um den Ernst-Reuter-Platz und skandieren: „Bildung für alle“. MAXIMILIAN HÄGLER