Entsetzen im Bade

Georg Schmiedleitner inszeniert das „Käthchen von Heilbronn“ am Oldenburgischen Staatstheater und klopft dabei den Rost von den Rüstungen des Ritterschauspiels.

von Christoph Kutzer

„Gift! Asche! Nacht! Chaotische Verwirrung“, keift Kunigunde, die Mächte der Hölle beschwörend. Die hexenhaften Züge der Furie sind unüberhörbar. Tatsächlich hatte Kleist die intrigante Dame ja ursprünglich als zaubermächtige Nixe konzipiert, dann aber zur Meisterin kosmetischer Verstellung zurechtgestutzt. Warum aber, so fragt man sich, sollte das 15-jährige Käthchen beim Anblick falscher Zähne in Panik geraten?

Wenn Regisseur Georg Schmiedleitner in seiner Oldenburger Inszenierung andeutet, die betrügerische Karrieristin (souverän zwischen Vamp und Zicke pendelnd: Nicola Lembach) sei unterhalb der Gürtellinie ein Mann, so ist dies nicht nur seinem unübersehbaren Spieltrieb geschuldet. Das Entsetzen der Titelheldin über den unerwarteten Anblick beim Bade wird erst in der Modernisierung nachvollziehbar. Auch sonst schmieren Schmiedleitners Neuerungen manches allzu heftig quietschende Scharnier in der Dramaturgie des „großen historischen Ritterschauspiels“.

Radikal hat er Nebenrollen gestrichen oder geschickt zusammengefasst. Rosalie und Gottschalk sind deutlich aufgewertet, sonst konzentriert sich das Bühnengeschehen ganz auf die seltsame Beziehung zwischen der kindlich-naiven Träumerin (Julia Ribbeck) und dem windigen Grafen vom Strahl (Henning Kober), dessen Auftritte zwar immer mal wieder von Placebos Song „My Sweet Prince“ unterlegt werden, der aber höchstens in Käthchens Fantasien zum Traumprinzen taugt. Ganz sicher scheint sie sich ihrer Sache dabei selbst nicht zu sein. „Look, I’m standing naked before you, don’t you want more than my sex“, singt sie leise vor sich hin.

Singen darf sonst vor allem einer: Ingo Putz, der Cherub, Käthchens Schutzgeist, den sie zu Beginn hinter dem Vorhang hervorgezaubert hat, ihr stetiger Begleiter, ihr Retter aus dem Inferno der „Feuerprobe“. Mal verleiht er dem Table-Dance Kunigundes mit Calexicos „Ballad Of Cable Hogue“ Tarantino-Flair, dann wieder untermalt er eine Schießerei mit süßem Oldie-Schmelz.

Das verträgt sich ausgezeichnet mit dem mafiösen Ambiente, das an die Stelle des Rüstungsklapperns tritt. Schwerter zu Wummen! Visiere zu Tiermasken! Und : Fort mit der Burgenromantik. Stefan Brandtmayrs Bühnenbild transformiert sie in eine schnörkellose, trutzige Lounge, die Qualm pustet, wenn das Heim des Grafen in Flammen steht. Im nächsten Moment quillt Schaum hervor, zeugt nicht nur von eifrigen Löscharbeiten, sondern deutet auch jene Badegrotte an, in welcher Kunigundes dunkles Geheimnis gelüftet wird.

„Gift! Pest! Verwesung!“, zetert diese, ehe sie sich nach geplatzter Hochzeit fluchend vom Acker macht. Dann geht auch Käthchen ab, verlässt die Feier derer, die fortgesetzt an ihr vorbeihandeln, über sie verfügen. Der Cherub entschwindet, der Kreis ist geschlossen. War alles nur ein Traum?

Nächste Vorstellungen: heute, 19., 26. und 27. März, jeweils 19.30 Uhr