Bestens bekannt

Auf der Tourismus Börse in Berlin verkauften sich Bremen, Lübeck und Braunschweig als Kulturhauptstädte in spe

Braunschweig präsentiert auf der Tourismus Börse den „größten Kulturbeutel der Welt“

Es kein allzu prominenter Ort, den Braunschweig dieses Jahr auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin bekommen hat: In einer Ecke des Gastronomiebereichs des Hannover-Stands hat man ein Ortsschild der „Stadt Heinrichs des Löwen“ aufgestellt. Es muss sich dort mit Verkehrszeichen aus anderen südniedersächsischen Städten wie Goslar oder Wolfenbüttel drängeln.

Ist das Schild etwa die einzige Werbung? Braunschweig will ja 2010 Kulturhauptstadt Europas werden. „Es gibt in einer anderen Halle noch einen extra Stand nur für die Kulturhauptstadtsbewerbung,“ verrät die freundliche Fachkraft. Und hier, bitte schön, sei noch ein Gutschein für einen „Kulturbeutel“.

Die Bewerbungsphase für die Kulturhauptstadt 2010 läuft auf Hochtouren: Ende März ist Abgabe auf Landesebene, Ende Juni müssen die Bewerbungen beim Bundesrat sein. Nach Monaten der Konzeptschreiberei bietet die ITB eine gute Gelegenheit für die Kandidatinnen deutschlandweit Eigenwerbung zu machen. Braunschweig, Bremen, Lübeck und Münster nutzen diese Chance, Osnabrück war nicht auf der ITB vertreten, die vergangenen Freitag begann und heute endet.

Die Marketingmaschinerie kommt in Gang und die Bewerberstädte setzen auf bekannte Schlüsselreize: Best of Bremen, Lübeck, Braunschweig, auf ein paar Quadratmetern. Ob Stadtmusikanten, Holstentor oder Löwensilhouette – es sind die tradierten Bilder, die dominieren.

Bremen fährt eine Doppelstrategie: In einer Halle ein gläserner Vermarktungstempel mit Reliquien der Populärkultur wie Lebkuchenherzen vom Freimarkt, Modellschiffe aus Bremerhaven oder ein Erlebniskasten aus dem Universum. An anderer Stelle der Kulturhauptstadt-Stand, an dem versucht wird, die Eigenwerbung ironisch zu brechen: Man stapelt nach Art der Stadtmusikanten bremische Museumsexponate aufeinander. Braunschweig bedient die Ironie durch eine gut zwei Meter hohe Plastikskulptur namens der „größte Kulturbeutel der Welt“.

In Sachen Selbstsicherheit siegt Lübeck: Eine Riesenleinwand mit Fotos von Thomas Mann, Willy Brandt und Günter Grass zeigt „die Nobelpreisträger der Stadt Lübeck“. Die Stadtväter loben die traditionell guten Beziehungen der „Königin der Hanse“ zum Ostseeraum. Der dänische Botschafter Gunnar Ortmann lobt das Marzipan. Und vergangenen Freitag übergaben die versammelten Honoritäten am ITB-Stand der Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, offiziell ihre Bewerbungsschrift (taz berichtete).

Simonis sagt zwar „zunächst nur ideelle“ Unterstützung zu, aber das dämpft die Lübecker Euphorie nicht: „Wir sind schon Kulturhauptstadt,“ erklärt die Kultursenatorin Annette Borns. Am Ende der Veranstaltung darf die VIVA-Moderatorin Gülcan Karahanci noch die Multikulti-Botschafterin für ihre Heimatstadt spielen. Das beeindruckt die fünf anwesenden Teenies mehr als die Nobelpreisler.

Auf der ITB vermählen sich Stadtmarketing und Kultur scheinbar mühelos zu einem gut konsumierbaren Tourismus-Produkt. Es bezweifelt niemand, dass im Zuge der Kulturhauptstadtsbewerbung in den drei norddeutschen Städten viel Spannendes zu sehen sein wird. Schade nur, dass die Präsentationen auf der ITB kaum Freiraum für Neuentdeckungen versprechen. So gehört die Magie des Moments dem ergrauten Trachtenpärchen, das am Bayern-Stand verliebt Tischfußball spielt. Tim Ackermann