USA als Schutzmacht und als Ausflucht

Trotz des Anschlags von Riad wollen die USA Wort halten und ihre Truppen aus dem Wüstenstaat abziehen

WASHINGTON taz ■ Nach den Selbstmordanschlägen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad haben die USA den weitgehenden Abzug ihrer Diplomaten aus dem Königreich angeordnet und die US-Botschaft geschlossen. Grund sei die anhaltende Terrorbedrohung in Saudi-Arabien. Auch Privatleute, die sich derzeit im Land aufhielten, sollten über eine Abreise nachdenken. Rund 40.000 Amerikaner leben derzeit in Saudi-Arabien.

Die Bombenanschläge, die nach Einschätzung von FBI und CIA die Handschrift von al-Qaida tragen, haben erneut den Blick auf die schwierigen saudisch-amerikanischen Beziehungen gelenkt. Nach den Terroranschlägen vom 11. September erreichte das Verhältnis beider Staaten einen Tiefpunkt, da die Mehrzahl der Flugzeugentführer saudische Staatsbürger waren. Zudem weigerte sich der vormals treue Verbündete in Riad – anders als Syrien oder Pakistan – nach Ansicht der US-Regierung hartnäckig, im Kampf gegen den Terror mit Washington zu kooperieren.

Hardliner in den USA drohten gar mit dem Bruch der Beziehungen zum saudischen Königshaus. Auch moderatere Außenpolitiker dachten laut darüber nach, sich langfristig von der strategischen Partnerschaft mit dem Wüstenstaat zu verabschieden, dessen Feudalordnung verkrustet und reformunfähig schien und dessen verarmte und orientierungslose junge Bevölkerung als Nährboden des Terrorismus gilt. Der Irakkrieg glättete einstweilen die Wogen, die Saudis erfüllten brav die Wünsche der Militärplaner im Pentagon. Die US-Regierung bedankte sich mit der Ankündigung, bis zum Sommer 2003 alle im Land stationierten Streitkräfte abzuziehen – eine Forderung der Saudis wie auch von Terrorfürst Ussama Nin Laden. Auch nach dem Bombenattentat von Riad hält das US-Verteidigungsministerium an den Abzugsplänen fest.

In Riad spielte man ein doppeltes Spiel. Einerseits nutzte man die Anwesenheit der US-Soldaten, um antiamerikanische Ressentiments zu kanalisieren und von der eigenen Unfähigkeit, die sozialen Probleme des Landes zu lösen, abzulenken. Andererseits brauchte man die GIs als Schutzmacht. Auf Bitten der saudischen Regierung stationierte das Pentagon nach dem Golfkrieg dort seine Soldaten und Flugzeuge. Washington – voll mit dem Nachkriegsirak beschäftigt – fürchtet wachsende innenpolitische Spannungen in Saudi-Arabien. Daher beeilte es sich, Riad Rückendeckung zu verschaffen, und attestierte der saudischen Königsfamilie, ihre Regierung sei weiterhin „stabil“.

Der Druck aus Washington auf Saudi-Arabien dürfte nach den jüngsten Anschlägen zunehmen. Vielleicht gewinnen wieder jene Stimmen in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten an Gewicht, die mit der Eroberung des Irak endlich die Zeit für gekommen halten, die strategische Allianz mit der autokratischen Führung in Riad zu überdenken. Galt sie jahrelang als Garant für den ungehinderten Zugang zu den weltgrößten Ölressourcen, so verschafft die Kontrolle über Iraks Ölreserven – die zweitgrößten der Welt – den Amerikanern jetzt mehr Handlungsspielraum.

MICHAEL STRECK