Gentech-Mais durch die Hintertür

Der Aufschrei war groß, als Sambia die Hilfslieferungen aus genmanipuliertem Mais ablehnte. Ein Wissenschaftlerteam bestätigte jetzt das Importverbot. Dies soll jedoch nicht als generelle Absage an die Gentechnologie gewertet werden

aus Lusaka MARTINA SCHWIKOWSKI

Sambia ist das einzige Land im südlichen Afrika, das sich strikt gegen die Hilfslieferungen von genverändertem Mais für die Hungernden im vergangenen Jahr ausgesprochen hat. Ein Wissenschaftlerteam, das im Auftrag des Präsidenten Lewy Mwanawasa in verschiedene Länder reiste, hat das Verbot des Präsidenten nur noch bestätigt. Den Aufschrei, den diese Entscheidung angesichts der Hungerkrise im Frühjahr hervorrief, verurteilt der führende Experte des Teams, Dr. Mwanayanda Lewanika. „Wir fühlen uns missverstanden“, sagt Lewanika in der sambischen Hauptstadt Lusaka im Institut für Wissenschaft und industrielle Forschung. „Wir sind nicht absolut gegen Gentechnik. Aber wir haben keine Gesetzgebung zur Handhabung der Produkte, ganz im Gegensatz zu den entwickelten Ländern.“

Die Wissenschaftler führten Gespräche mit Kollegen, Nichtregierungs- und Verbraucherorganisationen in den Vereinigten Staaten, Südafrika, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Norwegen. Das Ergebnis: „Die Meinungen zum Gesundheits- und Umweltsaspekt dieser Debatte gehen auseinander. Aber eines ist klar: Es gibt keinerlei Studien“, sagt Lewanika. Dennoch könne nicht einfach die Situation der Vereinigten Staaten, die seit Jahren genveränderte Produkte verzehren, auf Sambia übertragen werden. Der herbeigewünschte Mais zur Ernährung der Armen habe in Sambia einen anderen Stellenwert.

Der Maisbrei – „chima“ genannt – ist die Hauptnahrung für die meisten Sambier. Und die Menschen sind nicht so gut ernährt. „Die Amerikaner essen Mais als Cornflakes oder in anderen Formen, aber nicht so häufig“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Die Auswirkungen auf sambische Verbraucher seien daher nicht gleichzusetzen.

Sambia habe sich den Entwicklungen der Gentechnik nicht verschlossen, erklärt Dorothy Kangwa Mulenga, Mikrobiologin im Team. Gerade hat die Regierung einen Plan zur Regelung von Bioschutz und Biotechnologie im Land entworfen. Das Rahmenwerk, das noch vom Kabinett angenommen werden muss, enthält Richtlinien für Forschungsbereiche und Programme und soll auch klare Hilfen für die Entwicklung einer Gesetzgebung zur Erforschung von genveränderten Organismen bieten.

In der Zwischenzeit verlassen sich die Experten auf die Untersuchungen der entwickelten Länder. „Aber wir reiten nicht auf einer Anti-Kampagne, sondern wir wollen eine informierte Wahl treffen“, betont Mulenga.

„Wir brauchen eine stärkere Vielfalt an Getreide in allen Provinzen und damit auch Saatgut, das nicht so dürreempfindlich ist“, erklärten die Wissenschaftler. Aber der Anbau ist in den meisten Regionen auf den in der Vergangenheit subventionierten Mais ausgerichtet.

Als das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen zur Verringerung der drohenden Hungerkrise Gentech-Mais aus den USA nach Sambia importierte, kam es zum Eklat. Der bereits eingelagerte Mais musste wieder abtransportiert werden. Dadurch kam die Versorgung in den vom Hunger betroffenen Regionen im Westen und besonders im Süden allerdings ins Stocken. „Die Organisation hat unsere Bedenken heruntergespielt“, sagt Lewanika. „Genmodifizierung ist nicht die Antwort auf alle Probleme.“

Die UN-Organisation arbeitet nach dem Prinzip der offenen Ausschreibung, aber der US-Mais ist der billigste. Daher gab es diesen Mais oder keinen Mais, meinen die Wissenschaftler. Andere Länder haben sich dem angeblichen Diktat der Organisation gebeugt und die Lieferungen zunächst mahlen lassen, um eine mögliche Vermischung beim Anbau des Mais mit traditionellem Saatgut und damit umweltschädliche Einflüsse zu verhindern. „Wer soll das in Sambia bezahlen?“, weist Mulenga diese Alternative ab. „Nein, die Organisation hat alles rosig geschildert.“

Doch laut Auftrag müsse WFP die Interessen und Bedürfnisse des Einsatzlandes befriedigen. WFP hat stets darauf hingewiesen, veränderten Mais in die südliche Region seit Jahren geliefert zu haben. Aber Lewanika behauptet, die letzten Lieferungen seien während großen Dürre vor zehn Jahren eingetroffen. Und das sei kein veränderter Mais gewesen. In den USA sei genveränderte Nahrung nur deshalb so stark propagiert worden, damit der Überverbrauch von Pestiziden für den allgemeinen Anbau verringert werde.

Die ländliche Infrastruktur in Sambia müsse dringend verbessert und eigene Marktsysteme aufrechterhalten werden. Dann könnten auch leichter Überschüsse aus anderen Regionen in die Hungergebiete transportiert werden, lautet eine Möglichkeit zur besseren Eigenversorgung. Ein ausgearbeiteter Vorschlag dazu liegt bereits seit Ende 2001 in der Schublade der Nichtregierungsorganisation „Programme Against Malnutrition (PAM)“.

Zusammen mit Ernährungswissenschaftlern, Agrarexperten und kirchlichen Institutionen hat PAM ein Netzwerk von Organisationen aufgebaut und weist darauf hin, dass nicht nur Mais an Hungrige geliefert werden sollte, sondern „Cassava“, ein knollenartiges Wurzelgemüse, das besonders im Norden und Nordwesten im Überfluss angebaut wird.

„Mit der Ernte dort werden 30 Prozent der Gesamtbevölkerung mit Cassava versorgt und Überschüsse nach Angola und in den Kongo verkauft“, sagt Dr. Drinah Nyirenda, Direktorin in Lusaka. PAM will den Transport und die Verteilung in den traditionell vom Hunger betroffenen Süden organisieren. Später soll Cassava dort als Grundnahrung an Stelle von Mais wiedereingeführt werden.

Doch der Vorschlag kam für die Hungerperiode Anfang des Jahres angeblich zu spät. „Internationale Sponsoren und Organisationen befürworten das Projekt, aber die Gelder waren schon vergeben worden.“ Für die Umsetzung des Alternativplans werden 2,8 Millionen US-Dollar benötigt.

Die Mitarbeiter werfen WFP vor, genmanipulierten Mais loswerden zu wollen und Not leidende Länder wie Sambia in dieser Situation zu benutzen, um den afrikanischen Markt für Gentechnologien und überschüssige Produkte zu öffnen.

WFP stehe der Alternative grundsätzlich offen gegenüber, hieß es dort, doch Cassava sei wegen des hohen Wassergehaltes keine Frucht zum Transport in Zeiten der Nothilfe, wenn sie nicht zuvor verarbeitet werde.

Die Hungerlage in Sambia ist durch die jetzige Ernte gelindert worden. Wegen eines länger als gewöhnlich anhaltenden Regens bis Anfang Mai ist die Ernte besser als im Vorjahr und als erwartet ausgefallen. Doch Cassava könnte auch in immer wiederkehrenden Dürreperioden in betroffenen Gebieten Abhilfe schaffen. Die PAM-Organisation hofft, noch in diesem Jahr Gelder für den Start des Pilotprojektes zu erhalten.