Wenn die Hennen nicht rennen dürfen

Eine Studie soll den Eierproduzenten helfen, ihre Hennen nicht aus den Käfigen befreien zu müssen

Das Huhn ist ein geselliges Wesen. Es ist gewöhnt an kleine Gruppen von mehreren Dutzend Tieren. Werden die Hennen io größeren Gruppen gehalten, verlieren sie irgendwann den Überblick. Da aber die Hühner eine strenge Hackordnung pflegen, führt das zu ständigen Kämpfen: Hoher Stress, aggressives Federpicken und sogar Kannibalismus können die Folge sein.

Kein Wunder also, dass es in der Boden- und Freilandhaltung häufig zu solchen Aggressionen kommt. Und genau da haken die großen Eierfabrikanten ein: Sie kämpfen weiter für die Haltung in Käfigen, obwohl die längst von Agrarministerin Renate Künast abgeschafft wurde – Übergangsfrist nur noch bis 2007. Unterstützt werden die Hühner-Schinder im Bundesrat durch Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Neue, hilfreiche Argumente liefern ihnen zwei Studien der Tierärztlichen Hochschule Hannover sowie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Demnach leben Hennen in Käfigen nicht nur länger als ihre Artgenossen in Bodenhaltung, es haften auch weniger Krankheitserreger an ihnen.

Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister wollen die Hennen deshalb in so genannten „ausgestalteten Käfigen“ halten; einen solchen Käfig muss sich die Henne mit ungefähr 40 Artgenossinnen teilen.

Bis in die 50er-Jahre konnten Hühner noch ungestört scharren und picken. Ab und zu ein kleines Sandbad oder ein vergnügliches Hocken auf der hohen Stange, so ließ es sich artgerecht leben – bis der steigende Wohlstand mehr Eier verlangte.

Das grausige Leiden in den Hühnerfarmen konnte jedoch nicht länger von der Bevölkerung ignoriert werden. Glasknochen, verkrüppelte Wirbel oder gebrochene Schlüsselbeine gehören zu den gängigen Alltagsleiden. Hinzu kommt die Bestrahlung mit Kunstlicht, ungefähr 17 Stunden pro Tag, um die Eierproduktion anzutreiben.

Die Hauptargumente für die Henne im Käfig – langes Leben, weniger Krankheiten und Verhaltensstörungen – erinnern an den Strafgefangenen, der in seiner Zelle dem Risiko eines Autounfalls oder einer grassierenden Seuche entgeht.

Aber wenn das Huhn nicht scharren darf, lebt es auch nicht artgerecht – auch wenn durch das ständige Kratzen im Boden verschiedene Krankheitserreger freigesetzt werden können. Hühner brauchen ein Freilandleben in kleinen, geordneten Gruppen, abgetrennt von anderen Hühnern durch kleine Hecken. Allerdings sind manche Käfighuhnrassen mit den Jahren schon so anfällig geworden, dass es für die Hühnerhalter besser ist, auf Rassen auszuweichen, die stets im Freiland gehalten wurden.

In Deutschland sitzen mit 33 Millionen Tieren die meisten Hennen hinter Gittern. Auf dem Freiland dürfen bislang nur 3,5 Millionen scharren und picken. Ein Drittel aller Eier kommt aus Niedersachsen, was die Angst des Landes vor freien Hühnern erklärt. HANSJÖRG KISSEL