piwik no script img

Gepixeltes Ruhrgebiet

Das Pixelprojekt, eine digitale Sammlung fotografischer Positionen, ist ein Projekt freier FotografInnen und will ein regionales Gedächtnis sein

„Die Macht über die Bilder geht an die freie Szene – das gefällt nicht jedem“ (Peter Liedtke, Fotograf)

VON PETER ORTMANN

Wie wird eine Internetseite eingeweiht? Niemand kann dort ein Band durchschneiden oder eine Flasche Schampus werfen. Eine Beamergroßproduktion an prominenter Location ist die Lösung. Ein Glas Sekt gibt es natürlich dazu.

Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen wird heute Abend das Pixelprojekt-Ruhrgebiet eröffnet. Eigentlich ist das eine vom Land Nordrhein-Westfalen finanzierte Internetseite, auf der rund 900 Bilder der Ruhrregion von freien FotografInnen präsentiert werden. „Bilder kann jeder verstehen“, sagt Initiator Peter Liedtke. Egal ob jemand lesen könne oder deutsch verstehe. Gerade so könne eine Landschaft weltweit dargestellt werden, deren Flair und Einzigartigkeit neutral zu sehen sei. „Wir betreiben hier keine KVR-Schönfärberei“, ist Liedtke wichtig. Im Gegensatz zum Kommunalverband Ruhr, der mit Hochglanzbroschüren Eigenwerbung betreibe, würden beim Pixelprojekt auch Bilderserien über Knäste und soziale Brennpunkte zu sehen sein.

Das habe auch politische Dimensionen. „Die Macht der Bilder geht an die freie Szene“, sagt Liedtke. Er hoffe aber, dass die auch vom Establishment angenommen würden. Das „Gefühl für die Region“ könne ruhig auch von anderen vereinnahmt und benutzt werden. Nicht nur Profis sollen in die Datenbank eingespeist werden. Auch Fotografen, die nicht von ihrer Kunst leben, können sich dort profilieren. Wie Bernd Langmack, ein Arzt aus Essen, der mit seiner Riesenformat-Kamera durch die Region streift und eine Serie über das Weltkulturerbe Zollverein beisteuert. Voraussetzung ist, dass jeder die Jury überzeugt, vor allen Dingen ernsthaft am Thema zu arbeiten. Das haben zum Auftakt neben Langmack auch 32 andere Fotografen geschafft. Darunter auch Brigitte Kraemer aus Herne. Sie hat sich fotografisch mit der Migration im Ruhrgebiet auseinandergesetzt. „In den Gärten habe ich meistens die ersten Kontakte geknüpft. Wenn Familien und Nachbarn beim Grillen zusammen saßen, wenn Teppiche geschrubbt wurden, wenn Kinder in trostlosen Hinterhöfen unter der Bewachung ihrer Mütter aufregende Spiele erfanden.“ erzählt sie. Ihre Bilder über die Menschen und ihre Lebenssituation sind ausnahmslos schwarz-weiss.

Die meisten der anderen Arbeiten setzen sich mit Industriekultur auseinander, andere mit Urbanität, Freizeit und Sport. Mit der Freischaltung der Internetseite am Freitag besteht nun auch für alle anderen FotografInnen die Möglichkeit, sich zukünftig direkt bei dem Projekt zu bewerben. Einmal im Jahr tritt die Jury zusammen, um über Neuaufnahmen zu beraten. „So entsteht schließlich ein regionales fotografisches Gedächtnis in den Händen der freien Szene“, sagt Peter Liedtke, der mit seiner Serie „Skulptur Emscherpark (1991-2002)“ auch vertreten ist.

Heute Abend können die Arbeiten der ausgewählten Fotokünstler auch klassisch betrachtet werden. Rund 200 Aufnahmen werden im Wissenschaftspark an den Wänden hängen. Nur am Eröffnungsabend wird dazu eine Großleinwand aufgestellt, auf der jeder Besucher den Inhalt der Internetseite per Video-Beamer, quasi überdimensioniert, präsentiert bekommt.

Pixelprojekt Ruhrgebiet

Wissenschaftspark Gelsenkirchen

19. März bis 30. April 2004

täglich 08:00 bis 22:00 Uhr

Ausstellungseröffnung: 19:30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen