Die Sünden der Vergangenheit

Eine Analyse des Krebsregisters zeigt, dass rund um das Gelände der Bremer Wollkämmerei (BWK) die Krebsrate ungewöhnlich hoch ist. Ein Zusammenhang mit Emissionen der BWK wird nicht festgestellt – weil die Studie dafür nicht geeignet ist

Eine Studie, die Aukunft gibt über die Folgen der jetzigen Anlage, so das Gutachten, „könnte frühestens in 10 bis 15 Jahren erfolgen“

Bremen taz ■ Die Rate der Krebserkrankungen in Blumenthal ist signifikant höher als im übrigen Bremer Stadtgebiet. Das hat eine Untersuchung des Bremer Krebsregisters ergeben. Auftraggeber der Untersuchung war das Gewerbeaufsichtsamt der Hansestadt. Dort wird derzeit ein Antrag zur Änderung der Eindampf- und Feuerungsanlage (EFA) der Bremer Wollkämmerei (BWK) bearbeitet. Viele Blumenthaler sehen durch die EFA, einem Verbrennungsofen für Flüssigmüll, ihre Gesundheit bedroht. Dass ein Zusammenhang im Wortsinne in der Luft liegt, konnte das Krebsregister aber nicht bestätigen.

Die EFA wird von der Brewa, einer Tochtergesellschaft der Bremer Wollkämmerei (BWK) betrieben. In den Öfen wird neben pestizidbeladenem Wollwaschwasser auch anteilig flüssiger Abfall verbrannt, der nicht nur aus Bremen stammt. Derzeit wartet die BWK auf die Erlaubnis des Bausenators, die Anlage ausschließlich mit externen Chemikalien betreiben zu dürfen. Viele Blumenthaler fürchten, dass in direkter Nähe ein Standort für Sondermüllverbrennung heranwächst, der unabhängig von der traditionellen Wollproduktion bestehen könnte. Und das ungeachtet gesundheitlicher Risiken.

In einem Radius von drei Kilometern um die Bremer Wollkämmerei wurde deshalb die Häufigkeit von Krebsneuerkrankungen erfasst. Ergebnis: Im Vergleich zum restlichen Bremer Stadtgebiet liegt die Krebsrate in Blumenthal um 14 Prozent höher. Vor allem bei den Männern zeigte sich ein unerwartet hoher Wert. „168 Fälle wären statistisch zu erwarten gewesen, tatsächlich sahen wir aber 203“, sagt Klaus Giersiepen von der Registrierstelle des Bremer Krebsregisters.

Die krebsauslösenden Faktoren lägen je nach Form der Krankheit 5 bis 35 Jahre zurück. Grundsätzlich könne aus den gewonnenen Daten nicht erkannt werden, dass die Wollkämmerei Verursacher der zahlreichen Erkrankungen sei. Dazu wäre ein viel individuelleres Erhebungsverfahren notwendig gewesen. Zudem schränkte der Mediziner ein, dass dem Krebsregister vollzählige Daten für das Land Bremen nur für das Jahr 2001 vorlägen.

Die Gründe für die erschreckenden Werte in Blumenthal sieht das Bremer Krebsregister in vielfältigen Faktoren. „Vor allen Dingen der Rippenfelltumor war in Blumenthal häufig zu beobachten“, sagt Klaus Giersiepen. Eine Krebsart, die sich auf starken Kontakt mit Asbest zurückführen lässt. Dieses Feuerschutzmaterial wurde früher häufig auf Werften verwendet, in denen viele Blumenthaler arbeiteten. „Es sind die Sünden der 60er und 70er Jahre, die den Stadtteil einholen“, bestätigt Giersiepen. Insgesamt sei Blumenthal zudem eher sozial schwach. Damit ginge erwiesenermaßen auch ein höheres Krankheitsrisiko einher.

Die änderungswillige BREWA dürfte das herausgefundene Ergebnis somit nicht beeindrucken. Denn über die Auswirkungen der Emissionen der jetzigen Anlage werden in der Analyse überhaupt keine Aussagen getroffen. Eine solche Studie, so formuliert es das Gutachten, „könnte frühestens in 10 bis 15 Jahren erfolgen.“ Hartmut Teutsch vom Bremer Gewerbeaufsichtsamt mahnt daher: „Ich kann den Leuten nur raten, hier auf politischer Ebene aktiv zu werden.“

Holger Schleper