Getrennte Trauer um Terror-Opfer

Die große Trauerfeier in der Kathedrale von Madrid ehrte das Andenken an die bei den Bombenanschlägen Getöteten,die katholische Messe wurde aber nicht allen von ihnen gerecht. Viele der bislang 201 Toten waren Einwanderer

AUS MADRID REINER WANDLER

4.000 Menschen haben am Dienstagabend in Madrid an einer Trauerfeier für die 201 Opfer der Bombenattentate vom vergangenen Donnerstag teilgenommen. Der „mörderische Nihilismus“ der Terroristen, sagte dort Erzbischof Antonio María Rouco Varela, sei nicht das letzte Wort im menschlichen Leben.

Zu den Trauergästen zählte die spanische Königin Sofia. Hunderte von Kirchgängern fanden keinen Platz mehr in der Kathe–drale Almudena. „Einen Mitmenschen, einen Bruder zu ermorden ist das Gleiche wie ein Anschlag auf Gott selbst“, mahnte Bischof Rouco in seiner Predigt.

Nicht alle Familienangehörigen der Opfer nahmen an der Trauermesse teil. 50.000 Menschen beteiligten sich stattdessen an einem Trauermarsch, der zeitgleich in Alcalá de Henaras stattfand. In der Universitätsstadt 40 Kilometer westlich von Madrid waren die Todeszüge losgefahren. Einige Angehörige beklagten sich, dass sie keine Einladung zur Messe erhalten hatten. Andere waren mit dem rein katholischen Trauerakt nicht einverstanden. Sie hätten eine ökumenische Feier lieber gesehen.

Denn viele der Opfer kommen nicht aus dem katholischen Kulturkreis. Der Süden und Südwesten Madrids ist eine der Hochburgen der Einwanderung in Spanien. Nach der neuesten Bilanz der Behörden kamen bei den Bombenanschlägen neben Spaniern Menschen aus 14 anderen Ländern ums Leben, darunter elf Rumänen, fünf Ecuadorianer, vier Polen, vier Bulgaren, drei Peruaner, drei Marokkaner, zwei Ukrainer, zwei Kolumbianer sowie je einer aus Frankreich, Brasilien, Chile, Kuba, Honduras und Guinea-Bissau. 20 der Leichen konnten noch nicht identifiziert werden, es wird vermutet, dass viele von ihnen Einwanderer sind. Viele Ausländer leben ohne Papiere und oft auch ohne unmittelbare Angehörige in Spanien. Es kann lange dauern, bis sie von jemandem in ihrer Heimat vermisst werden und diese Nachricht an die spanischen Behörden gelangt. Der Zustand von sechs Verletzten ist weiterhin kritisch. Bei jedem dritten Verletzten handelte es sich um einen Immigranten. Ihnen und ihren engsten Angehörigen hat die Regierung die spanische Staatsbürgerschaft angeboten.

Auch unter den Angehörigen der spanischen Opfer fühlt sich so mancher nicht durch die Kirche vertreten. Die Züge kamen aus dem „roten Gürtel“ der Hauptstadt. In den Arbeiterstadtteilen und Vororten ist neben der sozialistischen PSOE von Wahlsieger José Luis Rodríguez Zapatero vor allem die kommunistische Vereinigte Linke (IU) stark verankert. Die Amtskirche und die Bischöfe, die einst die Franco-Diktatur unterstützten, sind dort vielen bis heute suspekt.

Die beiden großen spanischen Gewerkschaften UGT und CCOO gehen davon aus, dass rund 40 der Opfer bei ihnen organisiert waren oder Kinder eines Mitgliedes sind. Unter den Toten sind viele Studenten.

Die Rumänen aus Madrid und Umgebung hielten am Mittwoch eine eigene Trauerfeier ab. Sie verabschiedeten auf dem Militärflughafen von Torrejón bei Madrid zehn Särge. Mit elf Todesopfern und fünf Verschwundenen ist ihre Einwanderergemeinde die am schlimmsten betroffene. Zwei orthodoxe Priester lasen auf der Rollbahn eine Messe, bevor die Antonow Richtung Bukarest abhob.

Auch in der Kathedrale der marokkanischen Hauptstadt Rabat fand am Dienstagabend eine Trauerfeier statt. Neben dem marokkanischen Regierungschef Dris Jettou nahm daran auch die spanische Außenministerin Ana Palacio teil. Marokko und Spanien seien vom Terrorismus schwer getroffen worden, sagte die Ministerin.