Paris ist mit seiner Geduld am Ende

Chiracs Botschafter in den USA geht in die Offensive und fordert das Ende der antifranzösischen Kampagne

PARIS taz ■ In der Geschichte der Beziehungen zwischen zwei befreundeten Staaten ist das antifranzösische Mobbing der USA ein einzigartiger Vorgang. Seit Monaten – seit Paris gegen einen Krieg im Irak opponiert hat – bringen US-Medien immer neue „Enthüllungen“. Sie reichen von der angeblichen Lieferung von Pockenerregern aus Frankreich an den Irak bis zuletzt zu der Meldung der Washington Post, Frankreich habe Mitgliedern des Regimes mit Visa zur Flucht verholfen. Als Quellen dieser „Informationen“ nennen die US-Medien entweder „US-Geheimdienste“ oder die „US-Administration“. Grundsätzlich anonym. Die Dementis der „Enthüllungen“ werden – wenn überhaupt – ganz klein hinterhergeschoben.

Paris hat lange gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Jetzt ist der offizielle Vertreter Frankreichs und ehemalige diplomatische Berater von Jacques Chirac im Elyséepalast, Botschafter Jean-David Levitte, in die Offensive gegangen. In einem Brief an US-Regierungsmitglieder, Abgeordnete und alle großen US-Medien ruft Levitte dazu auf, die „falschen Beschuldigungen“, die „Desinformationskampagne“ und die „nutzlosen Polemiken“ in den Medien zu beenden (www.info-france-usa.org): im Interesse der franko-amerikanischen Freundschaft, die er einen „Schatz“ nennt.

Aus Washington kamen umgehend Dementis. Verteidigungsminister Rumsfeld will nichts von einer Kampagne bemerkt haben. Auch ein Sprecher des Weißen Hauses dementiert eine antifranzösische Kampagne.

Gleichzeitig sind die Bemühungen der USA, Frankreich diplomatisch zu isolieren, unübersehbar: bei diplomatischen Initiativen, bei der Vergabe von Aufträgen, bei direkten Kontakten mit Paris. Parallel umwirbt Washington Berlin, stattet dort politische Besuche ab. Von der rosa-grünen Bundesregierung, die zu Kriegszeiten von der entschlossenen Politik Chiracs im Weltsicherheitsrat profitiert hat, hat Paris dennoch keine Unterstützung zu erwarten. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, erklärte kürzlich in Paris: „Wir betrachten das eine Angelegenheit zwischen Washington und Paris.“DOROTHEA HAHN