Dem Terrornetzwerk auf der Spur

Spanische Polizei identifiziert Stimme auf Bekennervideo von al-Qaida. Marokkanische Islamisten mit Kriegserfahrung in Afghanistan unter Verdacht. Verbindungen nach London und Casablanca

MADRID taz ■ Die spanische Polizei verfolgt bei der Suche nach den Attentätern von Madrid neue Spuren. Nach Angaben der Zeitung El País haben die Ermittler die Stimme auf dem Bekennervideo inzwischen identifiziert. Der arabisch sprechende Mann, der sich als „Abu Duchan al-Afghani, militärischer Europasprecher von al-Qaida“ ausgibt, soll demnach vor Jahren von einem spanischen Richter verhört worden sein. Die Ermittlungen erfolgten damals aufgrund eines Amtshilfeersuchens aus einem anderen europäischen Land. Die Behörden gaben den Namen des Mannes, der dem Akzent nach aus Marokko stammt, nicht bekannt.

Gegenwärtig fahndet die spanische Polizei zudem nach 20 Marokkanern. Fotos der Gesuchten sollen von der marokkanischen Polizei zur Verfügung gestellt worden sein. Nach Medienberichten vermutet die Polizei Tatverdächtige unter nordafrikanischen Einwohnern von Barcelona. Innenminister Angel Acebes sprach gestern von einer „entscheidenden Phase“ bei den Ermittlungen, ohne allerdings weitere Angaben zu machen.

Die Ermittlungen konzentrieren sich auch auf die Kontakte des am Samstag festgenommenen Dschamal Sugam. Er soll, so heißt es jetzt, zur Islamischen Marokkanischen Kampfgruppe Kontakt haben. Diese Organisation wurde 1993 von ehemaligen marokkanischen Afghanistankämpfern im pakistanischen Peschawar gegründet, um den „heiligen Krieg“ in der Heimat fortzuführen. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe erhielten in den Lagern von Ussama Bin Laden in Afghanistan eine militärische Ausbildung. Die Gruppe hat nach Presseberichten sowohl Kontakt zu den Attentätern von Madrid als auch zu den Ausführern der Anschläge vom Mai 2003 in Casablanca, bei denen 45 Menschen getötet wurden.

Sugam gilt als Verbindungsmann dieser Gruppe in Madrid. Laut Ermittlungen hatte er direkte Kontakte sowohl zu einer Al-Qaida-Zelle in Spanien als auch zu den Attentätern von Casablanca. Laut britischen Presseberichten begleitete er den derzeit in spanischer Haft sitzenden Al-Qaida-Verdächtigen Imad Eddin Barakat alias Abu Dahdah nach London. Dort trafen sie sich mit dem europäischen Vertreter Ussama Bin Ladens, dem Palästinenser Abu Katada. Der 43-Jährige sitzt seit Oktober 2002 in britischer Haft. Die Polizei durchsuchte am Dienstagabend den Telefonladen von Sugam und den zwei mit ihm verhafteten Landsleuten erneut.

Innenminister Acebes kündigte die dauerhafte Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen an. Die Polizei werde verstärkt Häfen, Flughäfen, Sportstadien sowie Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsnetzwerke bewachen. Die Armee verstärke den Schutz der Landesgrenzen, des Luftraums und der Hoheitsgewässer. REINER WANDLER

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