Jugendlich, gut aussehend und erfolgreich

Am ersten Abend der lit.Cologne strömen mehr als 1.000 Zuhörer in den Kölner Gürzenich. Sie bekommen eine effektgeladene Show geliefert. Der neue „Literaturstar“ Frank Schätzing weiß mit den Erwartungen umzugehen

In grauer Vorzeit war die Schriftstellerei ein Refugium für gesellschaftlich weniger kompatible Intellektuelle, die im stillen Kämmerlein ihre Geistesblitze zu Papier brachten. Die Zeiten ändern sich. Trotz scharfer medialer Konkurrenz hält die Literatur mit, kann sich als multimediales Mega-Event inszenieren. Die 4. „lit.Cologne“ zeigt: Literatur ist Popkultur, Autoren sind Popstars. Schreiben allein reicht nicht: Wer sein Publikum nicht durch Entertainer-Qualitäten und gutes Aussehen beeindruckt, hat schlechte Karten.

„Rein gehen, Spaß haben!“, befahl die Dame am Einlass des Gürzenich. Zur Eröffnung des Literaturfestivals gab sich hier am Mittwoch Abend Frank Schätzing die Ehre. Natürlich ausverkauft: 1.100 Menschen drängten sich in Kölns gute Stube. Das Publikum war nicht gerade jung, kommt aber ziemlich jugendlich daher: wenig Schlipse, viel Jeans, auch Kapuzensweater gehen in Ordnung. Schätzing ist schließlich kein Opernsänger. „Wir haben ihn, unseren ersten internationalen Kölner Literaturstar“, wird er großspurig angekündigt.

Gut, Heinrich Böll weilt nicht mehr unter uns, und mit seinem Ökothriller „Der Schwarm“ sorgt Schätzing momentan weltweit für Furore. Bezüglich Inszenierung hat Schätzing, hauptberuflich Chef einer großen Kölner Werbeagentur keine Berührungsängste. Entsprechend effektgeladen fällt seine Show aus. Auf die Leinwand werden Meeresimpressionen projiziert: Hammerhai-Rudel, gigantische Fischschwärme. Dazu erklingen bombastische Orchesterklänge aus dem Synthesizer. Und zwischen allem der Meister, ganz in schwarz, mit Funkmikro ausgestattet. Mit bebender Stimme berichtet er von der fürchterlichen Rache der Meeresbewohner.

Eine Stunde später: Die Menschenschlange vor dem Gloria zieht sich bis zur Basilika St. Aposteln. Alle wollen zu Dominique A. Ein französischer Popsänger, gar „Le Pop-Star“, bei der lit.Cologne, ist das nicht gemogelt? Ach was, die Geisteshaltung zählt. Und der neue französische Chanson ist alles andere als grobschlächtig. Dominique singt ohne Synchronübersetzer, bei rudimentären Französischkenntnissen gerät die Textebene ein wenig ins Hintertreffen. Aber die Stimme und das Gitarrenspiel von Herr A. wissen auch so mächtig zu berühren. Und „echte“ Literatur gibt es bis Sonntag noch zuhauf. Bis dann!

Oliver Minck