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: „Bärenbrüder“

Im Hause Disney wollte man offenbar sichergehen. Man nehme Bären, die gehen immer. Das Geschehen verlege man in den Nordwesten der USA, eine Homestory also, wenn auch eiszeitlich exterritorialisiert. Dann füge man noch Inuit hinzu, die sind p.c., und glaciere alles mit einer gehörigen Portion Animismus.

Wir wissen nicht, ob die Treatmentsitzungen für „Bärenbrüder“ so ausgesehen haben. Aber das Drehbuch dieses Films erfüllt den Tatbestand der Feigheit vor dem Risiko. Der Eiszeitjäger Kenai erlegt eine Bärenmutter, wird in einen Bären verwandelt, freundet sich mit einem Bärenjungen an, das unablässig schwatzt und zufälligerweise das Kind, ja genau, von der toten Bärin ist. Kenai bereut, wird wieder zu einem Menschen, um sich dann freiwillig wieder in Meister Petz zu verwandeln. Am Ende leben Mensch und Bär friedlich miteinander – ein Arkadien bei Minusgraden. Die Bären reiten auf Mammuts, lachen über blöde Elche und sind jedes Tieres Freund. Nur die Lachse bleiben bei diesem neuen Vegetariertum ausgespart.

Bei „Bärenbrüder“ konnten sich die Verantwortlichen nicht entscheiden, was sie wollten. Ist der Film ein Entwicklungsroman? Dann lenkt die Transformation eines Menschen in ein Tier nur ab. Wenn er eine Tragikomödie sein soll, dann verträgt sie sich nicht mit dem grob esoterischen Überbau von Ahnen, die die ewigen Lebenszyklen beeinflussen und erzieherisch auf ein ungeratenes Menschenkind einwirken. Und wo die Geschichte nicht zwingend abläuft, werden Szenen aufgepeppt: Wenn Kenai dem Bärenjungen beichtet, er sei der Mörder der Mutter, dann macht die Kamera einen aufwändigen Schwenk und der Dialog wird unterbrochen (beziehungsweise untermalt durch einen Song von Phil Collins). Der enttäuschte kleine Bär rettet allerdings gleich im Anschluss dem Muttermörder das Leben.

Eine Dramaturgie also wie in heißem Kakao aufgelöste Gummibären mit einer Extraportion Zucker. Roy Disney, der Neffe des Firmengründers, hat letztens im Streit mit dem Disney-Chef Michael Eisner noch gepoltert: Der Konzern sei zu einer „seelenlosen Maschine verkommen, der es nur noch um schnelle Kohle geht“. Das stimmt bei „Bärenbrüder“ nur zur Hälfte. Der Film ist ein Zwitter, der es allen recht machen will, und dabei in Konventionen und Umgereimtheiten stecken bleibt. Was das US-Publikum merkte und dem Film nur mäßige Aufmerksamkeit zollte. MARTIN ZEYN

„Bärenbrüder“, Regie: Aaron Blaise, Robert Walker, USA 2003, 87 Min.