Mal für und mal gegen Castro

Gegner und Anhänger des kubanischen Staatschefs wollen heute auf die Straße gehen. Solidaritätsinitiativen fragen sich, wer die hiesigen Castro-Kritiker sein sollen

Wenn man die Berliner Protestkultur zum Gradmesser nimmt, könnte die Karibikinsel Kuba in der nächsten Zeit stärker in den Brennpunkt des weltpolitischen Interesses rücken. Am Dienstag wollen sowohl Anhänger als auch Gegner von Staatschef Fidel Castro vor der kubanischen Vertretung in Prenzlauer Berg Flagge zeigen.

Während linke Solidaritätsinitiativen, darunter das Netzwerk Cuba und die PDS-nahe Cuba Sí, von 9 bis 14 Uhr eine Kundgebung vor dem kubanischen Konsulat angemeldet haben, wollen die Castro-Gegner ab 10 Uhr vor dem kubanischen Konsulat aufmarschieren. Die beiden Einrichtungen sind Teil eines Häuserkomplexes und nur einen Straßenzug voneinander entfernt. Doch einen Zusammenstoß der verfeindeten Gruppen wird nicht befürchtet. „Wir suchen die Konfrontation jedenfalls nicht“, betont ein Sprecher von Cuba Sí. Eine starke Mobilisierung der Solidaritätsszene hält er während eines Arbeitstages nicht für wahrscheinlich. Dass die jüngsten Verurteilung von Dissidenten und die Todesurteile gegen drei Schiffsentführer die Solidarisierung behinderten, kann er für Berlin nicht bestätigen.

Völlig unklar ist auch die Mobilisierungsfähigkeit der Castro-Gegner. „Es gibt in Berlin keinen Ansprechpartner. Als Verantwortlicher wird ein Mann mit New Yorker Adresse genannt“, erklärt ein in Berlin lebender Kubaner. Bei Cuba Sí wird darauf verwiesen, dass es in den letzten Wochen in mehreren europäischen Hauptstädten, wie Paris und Madrid, ähnliche Demonstrationen gegeben hat. Während dort allerdings seit Jahren eine Castro-gegnerische Strömung in der kubanischen Gemeinde existierte, war von solchen Aktivitäten in Berlin bisher nichts bekannt.

Viel mehr Sorgen macht den Solidaritätsgruppen die Kubapolitik der US-Regierung. Schließlich hat George Bush weitere Verschärfungen gegenüber Kuba angekündigt. Selbst eine Invasion wird bei Cuba Sí mit Verweis auf Statements von Bush-Beratern nicht mehr ausgeschlossen. „Die Bedrohung für das sozialistische Cuba war noch nie so groß wie heute“, heißt es im Aufruf.

PETER NOWAK