Zwangsweise Rückführung: Flugziel Belgrad

Abschiebungsstopp für Roma-Familien läuft aus. Ihre Situation in der Bundesrepublik Jugoslawien bleibt katastrophal

DÜSSELDORF taz ■ Der Flughafen Belgrad steht seit dem 20. März wieder häufiger auf dem Plan für Abschiebungsflüge aus NRW: Am Samstag erlosch die Wirkung des so genannten „Wintererlasses“ des Landesinnenministeriums. Der Erlass sollte Roma-Familien mit unter 16jährigen Kindern aus Serbien und Montenegro vor einer Abschiebung während der Wintermonate schützen.

Das Innenministerium könne nicht ausschließen, so heißt es in dem Erlass vom 13. Dezember vergangenen Jahres, „dass Kinder von Roma-Familien bei einer zwangsweisen Rückführung auf Verhältnisse treffen, in denen sie schwere Gesundheitsschäden erleiden.“ Daher sollten die Ausländerbehörden den betroffenen Personen bis einschließlich 19. März dieses Jahres Duldungen erteilen.

Ungeachtet des beginnenden Frühjahrs bleiben die Verhältnisse für zurückkehrende Roma in der Bundesrepublik Jugoslawien jedoch katastrophal: „Roma leben in Serbien üblicherweise in Elendsvierteln, wie man sie nur aus Afrika oder Lateinamerika zu kennen glaubt“, sagt Brigitte Derendorf, Mitarbeiterin der „Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender“ (GGUA)-Flüchtlingshilfe in Münster. Dass es derartige Verhältnisse direkt vor unserer Haustür gibt, war für mich unvorstellbar.“ 80 Prozent der Häuser in den Roma-Siedlungen, so Derendorf, hätten weder fließendes Wasser noch Kanalisationsanschluss, das Infektionsrisiko gerade für Kinder sei hoch. „Medikamente müssen, wenn es sie überhaupt gibt, oft aus eigener Tasche bezahlt werden“, so Derendorf. „Das Geld dafür hat kaum eine Roma-Familie.“

Sogar das Auswärtige Amt stützt in seinem neuesten Lagebericht vom 24. Februar zu Serbien und Montenegro diese Einschätzung: „Roma leben in Serbien und Montenegro seit jeher am Rande der Gesellschaft. Sie stoßen in der Bevölkerung traditionell auf Ablehnung und werden häufig ökonomisch und sozial diskriminiert“, heißt es dort. Allerdings ist dies für die Behörden kein Abschiebungshindernis, da die Roma „wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit aber nicht systematischen staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt“ seien. Auf Grundlage der Lageberichte lehnen die Verwaltungsgerichte Asylanträge von Roma regelmäßig ab.

Flüchtlingsorganisationen appellieren seit Jahren an die Politik, für Roma aus Jugoslawien, die zum Großteil seit zehn Jahren oder länger in Deutschland leben, eine Bleiberechtsregelung zu beschließen. Allein: Die Chancen dafür stehen schlecht: Im Herbst hat die Innenministerkonferenz bekräftigt, eine „Gruppenlösung“ werde es nicht geben. Dennoch bekräftigt Volker Maria Hügel, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl: „Für die Roma muss eine großzügige Bleiberechtsregelung gefunden werden.“ CLAUDIUS VOIGT