Vietnam rollt den Weltkaffeemarkt auf

Dank Subventionen und dem Einsatz von Erntemaschinen kann Vietnam deutlich billiger exportieren als die traditionellen Kaffeeländer. Die DDR brachte das Land einst auf die Idee – heute will die Bundesrepublik den Preisverfall stoppen

VON MARINA MAI

Vietnam hat sich innerhalb von gut zwanzig Jahren vom Punkt null zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten der Welt entwickelt. Im zentralen Hochland südlich der alten Demarkationslinie werden mehr als 900.000 Tonnen Kaffee angebaut – ein Zehntel der Weltproduktion. Es gibt weltweit ein Überangebot an Kaffee von etwa 15 Prozent der jährlichen Ernte. Der Weltmarktpreis liegt seit Jahren unter den Anbaukosten und erreichte in diesem Jahr sein historisches Tief seit 100 Jahren, was die traditionellen Kaffeeexporteure in Lateinamerika erschüttert. In Brasilien, Kolumbien und Honduras etwa zieht der Preisverfall Hunger, Massenentlassungen und Landflucht nach sich. In Guatemala und Honduras wurden vergangenes Jahr etwa 600.000 Kaffeeanbauer entlassen.

Das Dilemma kreiden die Anbaustaaten in Südamerika und Afrika dem Neuling Vietnam an: Das Land, das nicht in die Organisation der Kaffee anbauenden Länder ACPC eingebettet ist, setze sich über Absprachen zum Produktionsumfang und zu den Preisen hinweg und werfe seine Ernte zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt. Allerdings gibt es auch andere Abweichler. Nach Angaben des Kaffeeverbandes habe auch der größte Exporteur Brasilien seine Anbauflächen in den Neunzigern erweitert.

Vietnam kann die Bohnen jedoch preiswerter exportieren als die Lateinamerikaner. Hier lässt sich Kaffee in tiefer gelegenen Regionen anbauen, wo noch Erntemaschinen einsetzbar sind. Zudem kauft der vietnamesische Staat den Bauern einen Teil der Ernte ab und lagert sie ein. Auf diese Weise subventioniert, können die Bauern den Rest der Ernte billiger auf dem Weltmarkt anbieten. Allerdings gedeihen in Vietnam keine höherwertigen Sorten.

Der vietnamesische Kaffeeanbau geht auf eine deutsche Initiative zurück. Weil die DDR nicht genügend Devisen aufbringen konnte, um genug Kaffee am Weltmarkt zu kaufen, drängten sie die vietnamesischen Genossen, Kaffee anzubauen. Im Gegenzug lieferten sie ihnen Industriewaren und erließen Schulden. „Wir haben auf 10.000 Hektar im zentralen Hochland mit dem Anbau begonnen“, erinnert sich Landwirt Dieter Knöfel, der das Projekt Anfang der Achtziger mit initiierte, „auf ehemaligem Weide- und Grasland, auf dem hauptsächlich indigene Völker lebten.“ Dieser kleinflächige Anbau habe zur Entwicklung des rückständigen Gebiets beigetragen. „Wir brachten nicht nur Kaffeepflanzen, sondern auch Wellblechhütten und elektrischen Strom in die Region.“

In den Neunzigern beschloss die vietnamesische Regierung, im großen Stil in das Kaffeegeschäft einzusteigen. Die Weltbank förderte den Anbau. Nach dem Fall des US-Handelsembargos gegen Vietnam 1994 nahm dann der Export stark zu. Inzwischen werden auf einer halben Million Hektar Kaffeepflanzen angebaut.

Dafür rodete das Land nicht nur große Flächen Wald. Die Erschließung brachte auch soziale Probleme: Es sind vor allem ethnische Vietnamesen aus dem übervölkerten Norden, die in das von den Bergvölkern traditionell bewohnte zentrale Hochland einwanderten und Kaffee anbauten. Heute leben dort sechsmal mehr Menschen als noch Ende der Siebzigerjahre vor dem Kaffeeanbau.

Aus Sicht der Ureinwohner wurde ihr Land illegal von den Vietnamesen in Besitz genommen. Seit dem Jahre 2000 kommt es in den Provinzen Pleiku, Gialai und Daklak immer wieder zu Aufständen, weil ihnen mit den Waldrodungen ihre Lebensgrundlage entzogen wurde. Die Hanoier Regierung unterstützt jedoch den Anbau von Kaffee. Schließlich ist er nach Reis das zweitwichtigste landwirtschaftliche Exportgut.

Auf Initiative des deutschen Entwicklungsministerium wurde im Jahre 2001 ein internationaler runder Tisch zum Thema Kaffee einberufen. Der soll bis Ende des Jahres für alle verbindliche Mindeststandards definieren, um soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu garantieren und den Preisverfall zu stoppen. Ein ambitioniertes Ziel: Immerhin ist es den Initiatoren schon gelungen, sämtliche Kaffeenationen, die betroffenen Verbände und Gewerkschaften sowie die großen Kaffeefirmen aus Europa und Nordamerika an einen Tisch zu bekommen.