Wirbel um den kleinen Wachsdiktator

Nach großer öffentlicher Empörung über die Hitler-Wachsfigur muss Ausstellungsmacherin Vollstädt ihre Galerie schließen. Die Eigentümerin, ein Tochterunternehmen einer Bank, befahl per Fax die „unverzügliche“ Räumung

Bei Madame Tussauds in London und im Panoptikum in Hamburg ist es normal: Man kann sich Hitler als Wachsfigur ansehen. In Amsterdam fehlt er im Kabinett. Brenda Serree, Sprecherin von Madame Tussauds Amsterdam, betont: „Wir haben uns wegen unserer Geschichte bewusst dagegen entschieden.“

In Berlin führt Hitler aus Wachs zum Eklat: Die Eigentümerin des Gebäudes hat der Betreiberin der Wachs-Galerie, Inna Vollstädt, in der letzten Woche gekündigt. Das Tochterunternehmen der Württembergischen Hypobank forderte sie mit Fax vom 19. März auf, „vor dem Hintergrund des nun bekannten Ausmaßes ihrer Nutzung, die Ausstellung unverzüglich zu räumen“. Gemeint ist das Ausstellen der Hitler-Puppe. Bereits drei Tage davor hatte die Eigentümerin laut Ausstellungsmacherin Vollstädt wegen Mietrückstands gekündigt. „Ich habe aber die Miete bezahlt“, sagt sie dazu. Bei der Württembergischen Hypobank streitet man einen Zusammenhang zwischen Wachsdiktator und Kündigung ab: „Wir haben schon Anfang des Jahres gekündigt zum 31. März. Eine Kündigung wegen der Hitlerfigur gab es nicht“, sagt Sprecher Ronald Vetter.

Vollstädt hatte gehofft, auch ohne Hitler weitermachen zu dürfen. Sie wollte Montag eine Antwort von der Württembergischen, bekam diese aber nicht. Seit Anfang des Jahres zeigte Vollstädt in der Galerie bekannte Personen als Wachsfiguren; so auch Hitler. Täglich kamen 20 bis 100 Besucher. Dienstag vergangener Woche schrieb die in Tel Aviv erscheinende Zeitung Ma’ariv kritisch über die Hitler-Puppe. Donnerstag folgten andere Zeitungen in Israel mit den Schlagzeilen:„Skandal – Hitler in Berlin“ oder „Berlin wirbt mit Hitler“. Am gleichen Tag fragte Bild: „Darf Hitler am Checkpoint Charlie stehen?“, und Vollstädt bekam das Räumungsfax.

Politiker meldeten sich zu Wort: Der Bezirksbürgermeister Lorenz Postler (SPD) erklärte die Figur für „nicht angebracht“. Bundestagsmitglied Frank Henkel (CDU) bezeichnete das Ganze als „geschmacklos“ und forderte, die Figur müsse weg. Holocaust-Mahnmal-Initiatorin Lea Rosh befürchtete, dass der Checkpoint Charlie zur Pilgerstätte für Neonazis werde. Die Berlin Tourismus Marketing GmbH befürchtete einen Image-Schaden für Berlin und ließ sogar rechtliche Schritte prüfen.

CHRISTIAN VATTER