unter hinrennern: am st. patrick’s day beim irischen botschafter von MICHAEL RINGEL
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Kleeblätter wachsen hier keine. Die Vorgärten liegen seltsam verwahrlost da. Im Diplomatenviertel reiht sich zwar Villa an Villa, Chalet an Chalet, aber es mangelt eindeutig an Gärtnern. Die Besitzer siedeln sowieso demnächst nach Tokio oder Paris um. Dafür ist die Straße voll von dunklen Limousinen, und Chauffeure mit grellen Krawatten verhandeln über Motorhauben hinweg die Weltpolitik.

Es geht zum irischen Botschafter. In seine Privatresidenz im Berliner Grunewald. Wir sind eingeladen zu einem Empfang am St. Patrick’s Day, dem irischen Nationalfeiertag.

Die irische Residenz ist verblüffend hässlich, ein würfelförmiger Klinkerbau. Nicht hässlich, dafür aber leicht würfelförmig ist Sean O’Huiginn, der Botschafter, der am Eingang immer wieder Hände schüttelt und jetzt gütig lächelt. Offenbar versteht er kein Wort von dem, was wir ihm zur Begrüßung sagen.

Die Gäste stehen plaudernd auf der Terrasse. Viele tragen das dreiblättrige Kleeblatt am Revers. Der heilige Patrick soll es der Legende nach benutzt haben, um den heidnischen Iren die Dreifaltigkeit zu erklären. Dreifaltigkeit bedeutet heute Nachmittag: links ein Glas, rechts ein Häppchen, in der Mitte Smalltalk: „Two wonderful ladies …“, überfällt gerade ein Hagestolz zwei Damen, die sich von dem plumpen Kompliment sichtlich geschmeichelt fühlen und die Frühlingssonne überstrahlen.

Das halbe diplomatische Korps ist da, und auch die üblichen Hinrenner haben sich eingefunden. Wie Dieter Stolte, genannt „Professor Kukident“. Über zwanzig Jahre lang arbeitete Stolte als Intendant daran, das ZDF auf Altherrenprogramm zu trimmen, zur Belohnung wurde er schließlich Herausgeber des Pleiteblatts Die Welt. In Stoltes Schlepptau befindet sich Georg Gafron, noch so ein Pleitegeier aus dem Hause Springer. Der ist auch überall. Schließlich hat er ja jetzt viel Zeit, seit er nicht mehr dem Radaublatt B.Z. vorsteht.

Ebenfalls da ist der spanische Botschafter. Wieder ausgerüstet mit dem Pflaster auf der Nase, mit dem Seine Exzellenz José Rodríguez-Spiteri Palazuelo auch schon bei Christiansen herumsaß. Der gute Mann rückt schnell in den Mittelpunkt seiner Kollegen. Die Beileidsbekundungen zum Terror in Madrid sind ernst und echt. Aber es schwingt noch etwas anderes mit, muss El Excelentísimo doch einen Regierungswechsel daheim verkraften. Das versteht hier jeder: die Sorge, von den neuen Herren in der Hauptstadt an den Arsch der Welt versetzt zu werden.

Steif geht es zu, viel zu steif für ein irisches Haus. Auch wenn Guinness und Kilkenny ausgeschenkt werden, aber es fehlt eben der Whiskey. Der irische Botschafter weiß genau: Gott erschuf den Alkohol, damit die Iren nicht die Weltherrschaft erlangen. Apropos Weitblick. Wir nehmen unser Kleeblatt, um zu demonstrieren, welche drei Dinge man am St. Patrick’s Day niemals tun darf: erstens die britische Nationalhymne pfeifen; zweitens einen frisch mit Krokussen bepflanzten Rasen betreten; und drittens den spanischen Botschafter fragen, ob man ihm aus dem Real-Madrid-Fanshop ein Pflaster mit dem Vereinswappen besorgen soll.

Am Horizont zieht die irisch-orange gefärbte Frühlingssonne heimwärts. Wir folgen ihr.