Indonesiens Militär greift in Aceh an

Präsidentin Megawati verhängt das Kriegsrecht über die Unruheprovinz und setzt jetzt auf eine militärische Lösung

BANGKOK taz ■ Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Indonesiens Regierung und den separatistischen Rebellen der „Bewegung Freies Aceh“ (GAM) am Wochenende startete Jakartas Militär gestern früh in der Unruheprovinz eine Offensive. Mehrere hundert Fallschirmspringer landeten in verschiedenen Teilen der Provinz. Ein Kampfjet feuerte zudem Raketen auf Rebellenstellungen 20 Kilometer östlich der Provinzhauptstadt Banda Aceh ab, sagte ein Armeesprecher.

Über 30.000 Soldaten sind inzwischen an der Nordspitze Sumatras stationiert. Die Rebellen werden auf maximal 5.000 Mann geschätzt. Auch 15 Kriegsschiffe befinden sich an der Nordküste Sumatras. „Ich habe den Soldaten den Befehl gegeben, die GAM zu jagen und auszuschalten“, sagte Armeeoberbefehlshaber General Endriartono Sutarto. Die neuen Kämpfe dürften ein massives Flüchtlingsproblem auslösen. Schon jetzt schätzt die Regierung, dass die Zahl von derzeit 5.000 Flüchtlingen auf mindestens 100.000 ansteigen wird.

Das von Präsidentin Megawati Sukarnoputri in der Nacht auf Montag für Aceh verhängte Kriegsrecht soll laut Sicherheitsminister Susilo Bambang Yudhoyono zunächst für sechs Monate gelten. Die Präsidentin hatte den Ausnahmezustand, der dem Militär weitreichende Vollmachten gibt, unmittelbar nach dem Scheitern der Tokioter Gespräche verhängt. Dabei war ein letzter Versuch zur Rettung des vom Genfer Henri-Dunant-Zentrums initiierten Friedensabkommens vom 9. Dezember 2002 unternommen worden. Beobachter hatten kaum mehr mit einer Einigung gerechnet, und Jakarta setzte während der Verhandlungen seinen Truppenaufmarsch in Aceh fort. Das Treffen war erst auf massiven Druck internationaler Geldgeber wie der USA, EU und Japan zustande gekommen.

Bei den Gesprächen, die wegen der Verhaftung von fünf GAM-Unterhändlern am Freitag schon im Vorfeld zu platzen drohten, wurden die verhärteten Fronten erneut deutlich. Regierung und GAM machten sich gegenseitig für das Scheitern des Friedensprozesses verantwortlich. Jakarta forderte die Rebellen nicht nur auf, ihre Waffen sofort niederzulegen, sondern sie auch an indonesische Autoritäten auszuhändigen. Die GAM sollte außerdem endgültig auf die Forderung nach Unabhängigkeit für Aceh verzichten. Zudem warf die Regierung der GAM vor, den Waffenstillstand nur zur Rekrutierung neuer Kämpfer missbraucht zu haben.

Der Chefunterhändler der Separatisten, Malik Mahmud, beklagte, Indonesiens Regierung habe niemals wirkliches Interesse an einem Kompromiss gehabt. Jakarta habe es darauf angelegt, den Rebellen wieder den Krieg erklären zu können. Die GAM werde ihre Waffen erst abgeben und nur an Orten deponieren, die den Rebellen und den mittlerweile abgezogenen internationalen Beobachtern bekannt seien, wenn sich das Militär zurückzöge. „Wir sind bereit, wir werden weiter kämpfen. Das tun wir schon seit 27 Jahren“, so Malik Mahmud abschließend. Im Aceh-Konflikt starben bisher 12.000 Menschen. NICOLA GLASS

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