Kapital scheut das Risiko

Da Investoren immer geringere Summen Kapital zur Verfügung stellen, haben es Unternehmensgründer schwer. Dabei mangelt es nicht an Geld, sondern am Mut

HAMBURG taz ■ In Europa liegen die Risikokapital-Beteiligungen am Boden. In drei Jahren sank das Investitionsvolumen um 82 Prozent. Auch in Deutschland setzte sich die Talfahrt fort. 2003 konnten die Kapitalbeteiligungsgesellschaften weniger als drei Milliarden Euro neu anlegen – ein Minusrekord.

Dabei mangelt es nicht an Geld. Über sechs Milliarden frische Euros wurde letztes Jahr in Deutschland bei Anlegern, Versicherungen und Fonds eingesammelt. Das Volumen des Risikokapitals wuchs damit auf fast 40 Milliarden Euro, meldet der Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Hiervon ist jedoch nur die Hälfte im weitesten Sinne wagemutig investiert – und nur ein Bruchteil der Summe fließt in echte Firmenfrischlinge. Der Rest ist bei den Banken geparkt. Selbst in Großbritannien, dem Vaterland des Venture-Capitals, sanken Risikokapital-Investitionen 2003 noch mal um ein Viertel.

In der Branche setzt man nun auf einen Stimmungsumschwung. So hofft der Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), dass „der Tiefpunkt durchschritten ist“. Allerdings rechnet Geschäftsführer Holger Frommann erst 2005 mit einem nennenswerten Konjunkturaufschwung. Von der Politik erwartet der Verband bis dahin Zugeständnisse, etwa in Steuerfragen: „Viele Dinge sind bereits auf gutem Wege.“

Begonnen hatte alles 1957, als vier Studenten den späteren Weltkonzern Digital Equipment (DE) gründeten. Ermöglicht hatte diese allererste Garagenfabrik eine neue Geldidee mit dem Namen „Venture-Capital“, auf Deutsch: Risikokapital. Solche Geldgeber wollten nicht mehr, wie bei klassischen Krediten, laufend Zinsen kassieren, sondern hofften darauf, später ihre Firmenbeteiligung profitabel weiterverkaufen zu können. Venture-Capital half neben DE auch Konzernen wie Microsoft, Lotus und Compaq auf die Beine.

Neben stolzen Erfolgen erlebte das Risikokapital jedoch auch bittere Niederlagen – und lernte daraus: Die Finanzierung der eigentlichen Gründungsphase überlässt man hierzulande lieber dem Staat und seiner KfW-Mittelstandsbank. Risikokapital-Manager investieren lieber in erfolgreiche Unternehmen, die noch stärker wachsen wollen oder die den Gang an die Börse planen. Daher leidet die Branche unter der seit 2001 längsten Aktienflaute seit sieben Jahrzehnten, denn damit ist „der Ausgang“ – so der Branchenjargon – für viele Beteiligungen verstopft.

Bemerkenswert ist inzwischen auch der Mix bei den Investments: Traditionelle Branchen wie Chemie und Maschinenbau triumphieren inzwischen wieder über die High-Tech-Szene. Nur noch jeder vierte Risiko-Euro fließt in Informations- und Biotechnologie oder in die Medizin. Damit verliert die neue Ökonomie weiter an Gewicht in der Volkswirtschaft.

HERMANNUS PFEIFFER