Gebührenstreit um Lizenz für Linux-Software

US-Softwarekonzern SCO will bei Nutzern des frei zugänglichen Linux-Betriebssystems abkassieren

BERLIN taz ■ Der Vormarsch des US-Softwarekonzerns SCO gegen die kostenlose Nutzung des Betriebssystems Linux kommt voran. Nachdem der Softwarehersteller bei verschiedenen Firmen in den USA, wie etwa IBM, finanzielle Forderungen eingeklagt hat, scheint demnächst eine Offensive gegen Unternehmen in Deutschland anzustehen. Der Konzern behauptet, dass die Entwickler des Linux-Systems Teile des SCO-Unix-Programms übernommen haben, und verlangt deshalb Lizenzabgaben von den Nutzern des Systems.

Das Betriebssystem Linux ist die frei zugängliche und im Prinzip kostenlose Alternative zur Monopolsoftware des US-Unternehmens Microsoft. Bislang hat SCO noch keine Möglichkeit, seine Forderungen hierzulande durchzusetzen. Ein deutsches Gericht untersagte Mitte 2003 per einstweilige Verfügung die Behauptung des Konzerns, Linux sei sein geistiges Eigentum. Nun versucht das Softwareunternehmen, gegen diesen Beschluss vorzugehen, um Linux-Benutzer für Schutzrechtsverletzungen haftbar zu machen und Gebühren für die Nutzung zu verlangen. „Es ist unser Bestreben, Beweismaterial gegen diese Verfügung vorzulegen“, bestätigte gestern ein Sprecher des Konzerns. Wann dies geschehen soll, sagte er freilich nicht.

Nicht nur für deutsche Unternehmen, die Linux den Vorzug vor Microsoft gegeben haben, wäre eine Aufhebung der Verfügung ein herber Schlag – auch die hiesige Verwaltung hätte heftig daran zu kauen. Städte wie München oder Schwäbisch Hall sind gerade dabei, ihre IT-Infrastruktur auf das System mit dem Pinguin umzustellen, und auch der Deutsche Bundestag und das Bundeskartellamt haben die freie Software teilweise eingerichtet. Vor allem das Bundesinnenministerium treibt die Abkehr vom Windows-System des Softwaregiganten Microsoft voran, denn die möglichen Kosteneinsparungen durch Linux in der Verwaltung sind immens. Führende Softwareanbieter aus dem Linux-Lager, etwa IBM oder Novell, erwarten, dass in drei Jahren die Hälfte aller Server weltweit mit dem Pinguin bestückt ist.

Wie die Financial Times Deutschland gestern berichtete, behält sich SCO vor, in Deutschland ähnliche Schritte wie in den USA einzuleiten, sollte die Verfügung aufgehoben werden. Vor genau einem Jahr verklagte der Konzern den IT-Multi IBM auf über eine Milliarde US-Dollar, und auch gegen DaimlerChrysler zieht SCO vor Gericht. Ende vergangenen Jahres hatte SCO über 3.000 Unternehmen in den USA aufgefordert, ihre Verwendung von Linux offen zu legen.

Dennoch lassen sich die hiesigen Nutzer des Betriebssystems nicht vom Säbelrasseln der Firma SCO beeindrucken. „Wir sehen dieser Entwicklung sehr gelassen entgegen“, sagte gestern etwa ein Sprecher des Deutschen Bundestages.

Mit ihrem Kampf gegen den großen Windows-Konkurrenten Linux hat sich SCO viele Feinde in der Softwarebranche geschaffen. Zu spüren bekam dies der US-Konzern vor allem Anfang dieses Jahres, als der Internetwurm „Mydoom“ die SCO-Website lahmlegte – unter dem Hohn der gesamten Branche. „Mydoom“ gehört zu den gefährlichsten Cyber-Würmern.

Wegen der ständigen Attacken gegen Linux wird oftmals Microsoft als Drahtzieher hinter SCO vermutet. Der Konzern unter Bill Gates hat Linux immer wieder als Bedrohung für das Geschäft bezeichnet und ist der Hauptprofiteur des Kampfs gegen den Pinguin.

Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass verschiedene Investitionen der Firma Baystar in SCO aufgrund von Impulsen des Microsoft-Konzerns zustande kamen. HANSJÖRG KISSEL