Boykottaufruf gegen Gratisblatt

Als Vermieter soll Joachim Freiherr von W. einen Kleinkrieg gegen den Betreiber eines Afroshops geführt haben. Dann brannte es in eben diesem Laden. Wegen W.s angeblicher Nähe zur NPD soll jetzt ein von ihm publiziertes Magazin geächtet werden

VON ANDREAS SPEIT

Inzwischen liegt das Magazin nicht mehr in allen Kneipen der Universitätsstadt aus. Auch in vielen Göttinger Cafés wird das kostenlose Kulturmagazin K3 wieder eingesammelt, kaum dass es angeliefert worden ist. Inzwischen ruft sogar die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Boykott des Blattes auf – wegen der Nähe von K3-Herausgeber Joachim Freiherr von W. zur örtlichen NPD. „Kulturmagazine ohne Distanz zur NPD sind in der Medienlandschaft überflüssig“, sagt etwa Bahman Ayegh, Grünen-Mitglied im Kulturausschuss.

Konkret vorgeworfen wird W., die berufliche Existenz von Joseph Akhigbe M. gefährdet, wenn nicht gar zerstört zu haben: Der gebürtige Nigerianer M. betrieb zwei Jahre lang einen Afroshop in der Göttinger Innenstadt, W. war sein Vermieter, beide hatten Streit. Wohl mit der Absicht, den ungeliebten Mieter loszuwerden, erhöhte W. die Miete und forderte plötzlich eine Kaution in Höhe zweier Monatsmieten.

Im vergangenen September dann kam es in dem Geschäft zu einem Feuer – nach Polizeiangaben ausgelöst durch einen technischen Defekt. Doch an dieser Version hatte nicht nur M. so seine Zweifel. Seit W. das Haus mit dem Ladengeschäft im Juni vergangenen Jahres erworben hatte, soll W. versucht haben, M. zu vergraulen, wollte demnach sogar Kunden am Einkauf hindern. Besonders pikant: In seiner vermeintlichen Not wandte W. sich an die örtliche NPD.

Seinen schriftlichen Hilferuf veröffentlichten die Rechtsextremen auf ihrer Internetseite. Inzwischen ist dort nur noch zu lesen, der Beitrag sei auf Wunsch des Betroffenen gelöscht worden – unter der Überschrift: „Göttinger Vermieter hat ein Negerproblem“. Freunde von M. sagen, sie hätten W. zusammen mit bekannten Neonazis gesehen. Auch soll der Afroshop kurz vor dem nächtlichen Feuer von Rechten fotografiert worden sein.

Und als Rechtsbeistand suchte sich Vermieter W. ausgerechnet Klaus Kunze – der verteidigte auch schon Rechtsextremisten und veröffentlichte auch selbst bereits in der einschlägig bekannten Wochenzeitung Junge Freiheit.

Im November schrieben 15 lokale Kulturinitiativen nun einen Brief an W., in dem sie eine Entschuldigung von ihm verlangten: „Wir sind entsetzt über die Ihnen zugeschriebenen Äußerungen, Vorgehens- und Verhaltensweisen“, heißt es in dem Schreiben.

Für den Fall, dass W. dieser Forderung nach einer „öffentlichen Entschuldigung“ nicht nachkomme, „sehen sich der Verein KUNST und die unterzeichnenden Kultureinrichtungen und Initiativen gezwungen, jeglichen Kontakt zu Ihrem Kulturmagazin abzubrechen“. Offenbar ist das nicht bloß eine leere Drohung: Immer mehr Initiativen schalten keine Werbung mehr in dem Magazin und legen auch erklärtermaßen keinen Wert mehr auf dessen Berichterstattung.

„Der geforderten Entschuldigung ist Herr W. nicht nachgekommen“, weiß indes der Grünen-Politiker Ayegh. Er hoffe, dass das Gratis-Kulturmagazin „nicht lange am Markt bestehen“ könne: „Wir können nicht zulassen, dass Göttinger Einzelhändler zur Zielscheibe der NPD werden“, sagt er.

Die rechte Partei wiederum wettert: „Die linken Gutmenschen“ könnten W. nicht verzeihen, dass er „sich in einem Hilferuf an die NPD Göttingen gewandt“ habe.

Für den morgigen Samstag ruft nun ein breites Bündnis zu einer Demonstration auf – für einen neuen Afroshop und gegen den alltäglichen Rassismus (Informationen: http://papiere-fuer-alle.org/node/500). Denn, so erklärt das Bündnis: „Die Bedrohung gegen M. geht weiter“ – Neonazis seien vor seiner Wohnung aufgetaucht, rassistische Parolen an die Außenwand gesprüht worden.