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: Der Kanzler, der Minister und das Schweigen von Hanau

Viel deutet darauf hin, dass die Bundesregierung der Siemens AG den Export des Hanauer Brennelementewerks nach China untersagen wird. Wesentlichen Anteil an dieser Einschätzung haben die Gerüchte über eine angebliche Vorentscheidung zwischen Kanzler und Außenminister. Wenn es aber so kommt, gebührt das Verdienst für diese Kehrtwende den rebellierenden grünen Abgeordneten.

Im Dezember hatte Kanzler Schröder in China den Verkauf der Anlage in Aussicht gestellt. Bald darauf kündigte Außenminister Fischer an, seine Partei müsse sich auf eine „bittere Entscheidung“ vorbereiten. Rechtlich sei der Export wohl nicht zu verhindern. Noch klarer hatte Franz Müntefering den Ausfuhrstopp ausgeschlossen. Doch der Druck aus den Reihen der grünen Fraktion war erheblich. Wie soll auch den Wählern vermittelt werden, dass Deutschland aus der Atomkraft aussteigt – und dann den Chinesen eine ausrangierte Plutoniumfabrik vermacht?

Inzwischen mehren sich die Stimmen von Fachleuten, die einen Exportstopp für rechtlich durchaus möglich halten. Im Nachhinein ist es kaum verständlich, warum anfangs die Lieferung als unabwendbar galt. Und tatsächlich: Obwohl die grünen Abgeordneten sich ihrer Sache immer sicherer werden, vermeiden sie es, aufzutrumpfen. Es gilt, dass die Beteiligten ihr Gesicht wahren können: einerseits Schröder, der einst in China eine Zusage gab, die sich als voreilig und unverantwortlich herausstellte; andererseits der Vizekanzler, der sich voreilig in den Koalitionsgehorsam begab und vor vermeintlichen Sachzwängen kapitulierte.

Vielleicht handelte Fischer aus Rücksicht auf den angeschlagenen Regierungschef so. Doch auch für ihn steht einiges auf dem Spiel. Schließlich hatte er selbst als Hessens Umweltminister maßgeblich die Inbetriebnahme der Siemens-Fabrik verhindert. Hanau wurde zum Erfolgssymbol des Turnschuhministers. Da scheinen auch die Gerüchte plausibel, Fischer habe die Sache mit dem Kanzler unter vier Augen geklärt. So richtig unter Männern. Jetzt stimmt die Symbolik wieder, auch wenn das offiziell niemand bestätigen will.

Wir sollten uns nicht blenden lassen: Schröder und Fischer waren dabei, einen Riesenfehler zu machen. Die grüne Fraktion – und hinter ihr die empörte Wählerschaft – ist auf dem besten Weg, das zu verhindern. Der Erfolg ist ihr zu wünschen.

MATTHIAS URBACH

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