schnittplatz
: Der Körper ist die Botschaft

Gerade hat das renommierte Institut für Zeitungswissenschaft der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität beschlossen, sich künftig das ungleich modischere Logo der Kommunikationswissenschaft an die Haustür zu dübeln, da bekommt es der dort lehrende Professor Hans-Bernd Brosius auch gleich mit reichlich komplexen Kommunikationsformen zu tun. Mit Körpersprachen gewissermaßen. Mit vergrößerten Brüsten, erhöhten Einschaltquoten und in die Spätmoderne transformierten Aschenputtelmythen.

„Metabotschaft Schönheit – Berichterstattung über Schönheitsopertationen im Fernsehen“ heißt ein mit dem Universitätsklinikum Rechts der Isar initiiertes Forschungsprojekt. Denn im Krankenhaus am Fluss erleben die plastischen Chirurgen nicht nur immer vollere Wartezimmer. Sie hören auch die immer gleichen Geschichten. Geschichten aus dem Fernsehen sind es zumeist. Geschichten, in denen sich Glück wiegen oder in Körbchengrößen füllen lässt. Hier ein paar Pfund weniger, dort ein paar Zentimeter mehr.

„70 Stunden einschlägiges Videomaterial“ hat der Kommunikationswissenschaftler archiviert. Und in Zeiten, in denen eine Vorzeige-Schönheitsoperierte (Tatjana Gsell) in Untersuchungshaft sitzt, weil sie den Auftrag zum Mord an einem Vorzeige-Schönheitsoperateur (Dr. Franz Gsell) gegeben haben soll, kommen täglich neue Kassetten hinzu. Meistens aber, so weiß es Brosius, sind die Erzählungen alltäglicher: Die Zeitschrift Max etwa hat einem jungen Mann einmal Fettabsaugen spendiert, einfach weil der so mitleiderregend über seinen Bierbauch geklagt hatte.

Vom „Kulturierungsansatz“, spricht der Professor in solchen Fällen. Und davon, dass Realitätsvorstellungen aus dem Fernsehen übernommen werden: „Das Fernsehen suggeriert, dass es längst keine Tabus mehr gibt, dass man den eigenen Körper aus einem Menü heraus zusammenstellen kann.“

So gesehen haben die „Blitz“-Reportagen und das RTL2-Dokutainment längst die Fernsehsprechstunde einer Dr. Antje-Kathrin Kühnemann abgelöst. Nur dass die Wehwehchen jetzt andere sind. Und dass es nicht mehr um Heilung geht, sondern um Sublimierung.

CLEMENS NIEDENTHAL