Mitarbeiter besetzen Betrieb

Ein traditionsreicher Autozulieferer in Schleswig-Holstein ist insolvent, 104 Arbeitsplätze sind akut bedroht. Nun streiten die Angestellten dafür, in eine Transfergesellschaft übernommen zu werden

AUS HOHENLOCKSTEDT KAI VON APPEN

Beschäftigte der Hohenlockstedter Wälz- und Umwelttechnik (HWU) in Schleswig-Holstein haben ihren insolventen Betrieb besetzt. Seit acht Tagen kämpfen die 104 Mitarbeiter darum, in eine gut ausgestattete Transfergesellschaft übernommen – und nicht einfach arbeitslos – zu werden. Am heutigen Freitag hat sich Schleswig-Holsteins SPD-Arbeitsminister Uwe Döring angekündigt, um zu vermitteln. Bislang hat sich ein Insolvenzverwalter aus Hamburg vergeblich bemüht, den traditionsreichen Automobilzulieferer am Leben zu erhalten. Der Inhaber der HWU, die Axel Vollmann-Gruppe aus Gevelsberg, hat „kein Interesse“ mehr an dem Standort.

Vollmann hatte vor drei Jahren das Pleiteunternehmen Nier im Landkreis Steinburg nahe Itzehoe gekauft und aufgesplittert: Ein Teil der Belegschaft wurde in eine neue Firmenkonstruktion N.I.E.R mit vielen Tochterfirmen integriert, der andere Teil in eine gut ausgestattete Transfergesellschaft übernommen.

2008 wurde der Bereich, der Spezialaggregate für Ferrari, Volkswagen, Opel und DaimlerChrysler herstellte, ausgelagert und in die neue Personalgesellschaft HWU überführt. Die Produktionsanlagen blieben jedoch im Besitz der N.I.E.R-Holding. Ende Oktober musste der neue HWU-Geschäftsführer Horst Strodkötter plötzlich Insolvenz anmelden, weil die Mutterfirma ihren Zahlungen nicht nachgekommen ist. Das Unternehmen gibt der Automobilkrise die Schuld, Insider gehen eher davon aus, dass Axel Vollmann das „gallische Dorf“ mit Betriebsrat und Tarifverträgen loswerden möchte.

Der Insolvenzverwalter sicherte zwar aufgrund der gesetzlichen Grundlagen im Oktober den Beschäftigten für drei Monate die Löhne zu, sodass die Produktion weiterlief, aber in seinem Bemühungen, den Betrieb – der laut IG Metall Unterelbe über genügend Aufträge der Vollmann-Gruppe verfügt – scheiterte er.

Vollmann boykottierte zunächst Rettungsgespräche in der vorigen Woche, weil die Belegschaft in der Kantine ausharrte, ließ stattdessen über den neuen HWU Geschäftsführer Strodkötter mitteilen, dass – bis auf 25 Leute, die noch bis März die Abwicklung begleiten dürfen – zum Jahresende alle in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.

„Es kann nicht sein, dass die Belegschaft zum Nulltarif abgewickelt wird“, wetterte daraufhin der IG-Metall-Unterelbe-Chef Uwe Zabel. „Wir wollen eine Zukunft durch eine Transfergesellschaft“, bekräftigte HWU-Betriebsrat Steffen Schmidt die Forderung der Belegschaft auf einer Kundgebung vor dem Büro des Insolvenzverwalters Ivo Dens am Mittwoch in der neuen Hamburger Hafencity. „Um unsere Jobs können wir nicht mehr kämpfen“, klagt der Betriebsrat, „unsere Arbeitsplätze haben wir schon verloren.“

Darüber wird zurzeit hinter den Kulissen hart verhandelt. Druckmittel ist für die Belegschaft die Betriebsbesetzung, da die Bänder von VW-Transporterfahrzeug Braunschweig mittlerweile von Stillstand bedroht sind.