Die Frau, die das Porzellan kitten möchte

Alexandra Dinges-Dierig, neue Bildungssenatorin Hamburgs, hat eine Mission: Sie will Eltern und Lehrer besänftigen

Sie wird ertragen müssen, dass die Hamburger sie eine Weile „die Dingens-Dingsda“ nennen werden. Denn noch kann sich kaum jemand merken, dass Hamburgs neue Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig heißt. Sie ist eine der vier Parteilosen, die CDU-Bürgermeister Ole von Beust ins Kabinett geholt hat.

Dinges-Dierig ist in Hamburg völlig unbekannt. „Ich bin Wirtschafter und ich bin Lehrer“, tat die Volkswirtin und Berufsschullehrerin bei der Vorstellung der Senatsmitglieder kund. Bürgermeister Ole von Beust holte sie aus Berlin, wo sie das Landesinstitut für Schule und Medien geleitet hat.

Die 51-Jährige ist in Lübeck geboren, in Osnabrück aufgewachsen und hat ihr Abitur in der teuren Privatschule Birklehof gemacht. Dort, im schwarzwäldischen Hinterzarten, lernte sie auch ihren Mann kennen, mit dem sie nach eigenen Aussagen „seit Ewigkeiten“ verheiratet ist. Sie hat in Freiburg studiert und an der Universität gearbeitet und war zehn Jahre lang Lehrerin in Emmendingen, bevor sie 1991 als Referentin im Kaufmännischen Referat ins Kulturministerium nach Stuttgart wechselte. Bevor sie nach Berlin kam, hat sie in Hessen gearbeitet. Sie war von 1999 bis 2000 Büroleiterin der Kultusministerin Karin Wolff (CDU).

Dinges-Dierig sagt, sie habe genug Kitt dabei, um zerschlagenes Porzellan zu reparieren. Den wird sie brauchen. Denn ihr Vor-Vorgänger, der ehemalige Konteradmiral Rudolf Lange (FDP), hatte Lehrer, Eltern und Schüler in Rekordzeit gegen sich eingenommen und auf die Straßen gebracht. Im vergangenen November musste er zurücktreten. Seinem Nachfolger blieb nur wenig Reparaturzeit, ehe die Koalition platzte.

Das ist nun Alexandra Dinges-Dierigs Ding. Sie muss tiefe Gräben überbrücken. Denn überhastete Reformen haben in der Hansestadt zu heftigem Streit geführt. Die LehrerInnen sind dem Senat in erster Linie wegen eines massiven Stellenabbaus gram. Zudem grollen sie wegen des kürzlich eingeführten Lehrerarbeitszeitmodells, das fast alle Pädagogen mehr arbeiten lässt. Es kam als Gerechtigkeitsmodell daher, das Vor- und Nachbereitung sowie sonstige schulische Aufgaben berücksichtigen sollte, ist in Wirklichkeit aber ein Sparprojekt.

Die Hamburger Pädagogen fühlten sich verschaukelt und sind über die Mehrarbeit so erbost, dass sie an etlichen Schulen Klassenreisen, Bundesjugendspiele und andere Extras ausfallen lassen – was wiederum Eltern und Senat aufbringt.

Die neue Bildungssenatorin kann sich auf zwei Vorteile stützen: Zum einen hat ihr Vorvorgänger die Reformen zu verantworten, zum anderen ist ihre Behörde nicht länger für einen Bereich zuständig, der in Hamburg für fast noch mehr Aufregung gesorgt hat als die Schulpolitik. Die Hamburger Kindertagesstätten nämlich gehören zu den teuersten der Republik. Zudem hat die Einführung eines Kita-Gutscheinsystems vor allem bewirkt, dass Tausende Eltern monatelang auf einen Gutschein gewartet haben und es zum Teil bis heute vergeblich tun. Dabei geraten Erwerbsbiografien wie Familienplanungen durcheinander.

Das soll jedoch nicht Sorge der Bildungssenatorin sein, denn Kindertagesstätten sind nicht länger eine Frage der Bildung, sondern neuerdings eine soziale Angelegenheit. Für die Kitas soll künftig die Sozialbehörde zuständig sein.

Die Entscheidung hat keinen bildungspolitischen Hintergrund. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) und ihr Staatsrat Klaus Meister (SPD) haben die Sozialbehörde bereits in der vergangenen Wahlperiode nahezu geräuschlos regiert. Nur diesem Team scheint Ole von Beust zuzutrauen, das Kita-Problem zu lösen.

Alexandra Dinges-Dierig wird derweil wohl manchen Plan aus der Schublade holen, der in der Schulbehörde kurz vor der Wahl aus Rücksichtnahme zwischengelagert worden war. Ganz oben dürfte sie dabei auf die Privatisierung der beruflichen Schulen stoßen, welche die Handelskammer wünscht und der alte Senat folgsam in die Wege leitete.

Die beruflichen Schulen sollen in eine Stiftung überführt werden, in der die Wirtschaft das Sagen hat. Das aber stößt bei den Berufsschullehrern auf heftigen Widerstand. Nun warten sie darauf, was eine Berufsschullehrerin, die jetzt Senatorin ist, zu diesem Thema sagt.

SANDRA WILSDORF