Die schlimmsten Sünden der AG

Die Bahn hält ihre Kunden für notorische Vorausplaner, kennt aber ihr eigenes Preissystem schlecht

BERLIN taz ■ Fehler 1: Spontaneität der Fahrgäste unterschätzt. Wer will, kann schneller und trotzdem billiger als vorher von Berlin nach München kommen. Er muss die Reise nur vorausplanen, möglichst früh. Dann geht er sicher, dass er bei Plan & Spar dabei ist. Aber wer will das schon? Größtes Ärgernis bei den Kunden sind die Frühbuchtarife. Das Qualitätsforschungsinstitut Quotas hat in DB-Reisezentren nachgefragt: 245 von 250 Plan-&-Spar-Tickets waren nicht verkauft. Von 250 befragten Reisenden dagegen wollten nur 60 das Angebot nutzen. Es sind also nicht nur die Kreativen, die Freiberufler und Manager, die gern spontan reisen. Auch Beamte und Versicherungskaufleute fahren anscheinend gern mal von einer Minute auf die andere ins Liebeswochenende. Offenbar hat die Deutsche Bahn ihre Kunden als zu solide und organisiert eingeschätzt.

Fehler 2: Große Kampagne, keine Wirkung. Der Bahn ist es gelungen, selbst die Bahnfahrer zu enttäuschen, die sich durch die Riesenkampagne tatsächlich beeindrucken ließen, indem sie für Produktenttäuschung sorgte. Für alle, die zum Beispiel von Bremen nach Hannover fahren müssen, kommt das viel beworbene Frühbuchersystem nicht infrage. Die Strecke ist einfach zu kurz; die Reise würde regulär 10 Euro mehr kosten. So groß die Bahn ihr Preissystem ankündigte, so heimlich hat sie Verschlechterungen eingeführt. Wer etwa seine Bahncard vergessen hat, kann das zu viel gezahlte Geld nur noch binnen sieben Tagen zurückfordern. Dummerweise hat das Management diese Neuerung auch vielen Mitarbeitern verheimlicht, sodass etliche Bahnfahrer leer ausgingen. Wie viele, ist nicht genau zu sagen, denn die Bahn hat nicht nur ein neues Preissystem, sondern auch ein neues Beschwerdemanagement. Das ist mit 500.000 Beschwerden pro Jahr überfordert.

Fehler 3: Ein undurchschaubares Preissystem. Was ist jetzt die schlimmste Preissünde der Bahn? Die Frühbuchertarife, die Spontane vernachlässigen? Die Gruppentarife, die Schüchterne übel diskriminieren, die nicht in der Schlange noch schnell jemanden zur gemeinsamen, billigeren Fahrt animieren? Nein, die schlimmste Preissünde der Bahn ist, dass sie weder ihre eigenen Sünden noch ihre Wohltaten kennt. Stichproben der Stiftung Warentest ergaben, dass die Hälfte aller Schalterangestellten eine billigere Verbindung hätten finden können. Das macht Spontane wie Ordnungsfetischisten und Soziopathen wie Großfamilien misstrauisch. Wie viel das Benzin fürs Auto kostet, kann man sich vorher wenigstens in etwa ausrechnen. MAREKE ADEN