Blumen und Schokolade

Pop-Putin Philip Kirkorov sang Mittwoch in der Glocke, vor Fans und solchen, die es wurden

Als ob Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen wären: Alle warten auf Philip Kirkorov, den Popmogul im Lande der elf Zeitzonen. Die Glocke ist voll, man begibt sich auf die Plätze, raschelt unruhig mit mitgebrachten Blumensträußen, manch hübsche Tochter teilt die Vorfreude der Mutter.

Kurz nach acht dann triumphale Einlaufmusik, Stroboskopgewitter, Tänzer wirbeln über die Bretter. Und dann kommt er. Philip Kirkorov Superstar. Manta-Stiefeletten, Jeans, Glitzermikro lässig in der Hand, Kunstlederjacke, weißes, weit aufgeknöpftes Hemd. Ein silbernes Riesenkruzifix ruht auf dem Brustfell. Ihm liegen sie hier zu Füßen, ihm sind sie Wachs in den Händen, ihm haben sie Blumen und Schokolade mitgebracht. Um sie einzusammeln, dreht er eigens eine Runde durchs Publikum. Alte Frauen geben Küsschen, kleine Mädchen schenken Puppen, alles steht, klatscht, kreischt. Es ist der Wahnsinn.

Kirkorov ist mit weltweit über 60 Millionen verkauften Platten der größte russische Popstar aller Zeiten. Gigantisch auch sein Liebesleben: Er sieht zwar aus wie Womanizer No.1, ist aber seit elf Jahren verheiratet. Und zwar mit niemand geringerem als Alla Pugacheva, der einzigen Frau, die es in Fragen russischer Musikbiz-Popularität mit ihm aufnehmen kann. Mit ihr knüpft er eine Welttournee an die andere. Einen Rekord hält er mit 32 in Folge gegebenen Konzerte in St. Petersburg 1998, alle ausverkauft. Seinen Privat-Jet schmückt ein riesiges Bild von ihm selbst. Doch er produziert auch jüngere Künstler und gönnt ihnen ein bisschen Rampenlicht, wie Anastasia Stotskaya in der Glocke.

Alles ist perfekt durchchoreografiert, doch er wirkt wie ein Meister der Improvisation. Die Band spielt wieder dieses semikaribische Singalong-Zeug? Kein Problem, das kann er auch. In immer aufwändigeren Kostümen kommt die Tänzercrew auf die Bühne, dreht sich in Barockkluft oder mosht mit Baumkronenhüten. Man sieht sogar die Security mitsingen. Für alle was dabei: Eine große bunte Tüte russischer klebriger Bonbons.

Robert Best